„Das ist keine Vergnügungsfahrt“

■ Bernhard Gertz, Vorsitzender des Bundeswehrverbandes, warnt vor den Gefahren bei einem möglichen deutschen Einsatz im Kosovo

taz: Sie haben öffentlich davor gewarnt, ein Bundeswehreinsatz im Kosovo könnte möglicherweise blutig enden. Was haben Sie damit gemeint?

Bernhard Gertz: Man muß zunächst klären, um welchen Einsatz es sich handelt. Wenn es um einen friedenssichernden Einsatz nach einem Vertragsabschluß der Konfliktparteien geht, dann wird es ähnlich wie bei Ifor und SFOR in Bosnien zugehen. Allerdings muß man im Kosovo mit anderen Rahmenbedingungen rechnen.

Nämlich?

In Bosnien waren alle ethnischen Gruppen durch legitimierte Vertreter an den Verhandlungen beteiligt. Das ist bei der Frage der Kosovo-Albaner sehr schwierig zu entscheiden. Man wird erst nach Anwesenheit einer Nato- oder Friedenstruppe herausfinden können, ob eine Waffenruhe wirklich eingehalten wird – oder ob ein Ergebnis, das Autonomiestatut heißt, umgebombt wird in ein Unabhängigkeitsstatut.

Also ist mit einem echten Kriegseinsatz zu rechnen?

Auf jeden Fall ist es ein ganz anderes Niveau der Gefährdung für die Soldaten. Die müssen konkret damit rechnen, daß ihre persönliche Gefährdung in jeder Situation gegeben ist.

Sie meinten, die Bundeswehr könne sich auf diese Gefährdungen vorbereiten. Wie soll das gehen?

Neben der militärischen Ausbildung bringt die Bundeswehr den Männern bei, welche historischen und sozialen Bedingungen im Land vorherrschen und wie es um die Entwicklung der ethnischen Auseinandersetzung steht. Auch die politische Lage wird den Soldaten klargemacht. Was mir wichtig ist, ist die psychische, die mentale Seite der Vorbereitung. Wir müssen in die Köpfe der Soldaten reinkriegen, daß das keine Vergnügungsfahrt ist, sondern ein Einsatz, bei dem in jeder Minute und jeder Sekunde die Gefahr besteht, daß man Anschlägen ausgesetzt ist.

Befürworten Sie einen Einsatz unter solchen Bedingungen?

Ich denke, ein Volk von 80 Millionen Menschen im Herzen Europas kann sich der Aufgabe nicht verschließen, gemeinsam mit anderen zur Krisenbewältigung auf dem eigenen Kontinent beizutragen. Da kann man nicht sagen: Laß das mal die anderen machen, wir stehen nur als Finanziers im Hintergrund. Wir sind in der Pflicht. Wenn man nichts tut, dann bedeutet das Genozid, dann bedeutet das Fortsetzung der Massaker und die Vertreibung von Menschen. Da kann man eigentlich nicht sagen, wir wollen wegen möglicher Opfer diese schwierige Mission nicht vollenden. Interview: Markus Völker