Der Fluch des Niedlichen

Faust zeigen statt Kuchen backen: Die Band Ja König Ja und ihr erbarmungsloser Kampf ums Image  ■ Von Michael Hess

Ebba Durstewitz kommt, um sich zu beschweren. Als sei sie auf der Flucht, stürmt die Musikerin geradewegs in das kleine Café auf St. Pauli und erzählt, kaum daß sie auf der engen Empore gelandet ist, warum ihr ausnahmsweise dennoch niemand folgt. Jakobus nämlich ist zu Haus geblieben. Schuld daran seien die vielen Interviews der vergangenen Tage. Terminnot? Nein, eher das Wissen über den Fluch des Niedlichen. Jede Alltagshandlung des Hamburger Songwriter-Paares Ja König Ja werde derzeit als putzige Geste gewertet, als Indiz heimeliger Häuslichkeit. Die ewig selben Fragen und Klischees haben Durstewitz vorsichtig gemacht.

„Ich weiß nicht, warum wir bei allen immer so niedlich wirken“, wundert sie sich und ist dabei immer noch etwas atemlos. Selbst ein billiges Backblech von Aldi sei unlängst zum „Kuchen-Napf“ gekürt worden, nur weil man es beim Interview zufällig in Händen hielt. „Deshalb hab' ich Jakobus auch zu Hause gelassen, der ist wahrscheinlich immer zu charmant.“

Armer Jakobus. Doch natürlich sind beide nicht ganz schuldlos an ihrem häuslichen Image. Seit Jahren lebt und musiziert man zusammen auf St. Pauli, und in den Liedern der zwei scheint sich fortwährend ein stilles Glück zu spiegeln. Momentaufnahmen einer Welt voller Rotkohlduft und Katzenmiau, Hausrezepte und spielend leichtgemachter Kommunikation. Ein beiläufiger Augenblick gerinnt bei Ja König Ja sehr leicht zur dauerhaften Poesie. Wahrhaftigkeit obsiegt über das Banale, das Leben zeigt sich überrascht.

So wie das samtrosane Fischlein, das auf dem Cover ihres neuen Albums Tiefsee durch zwei Korallen hervorlugt. Im Titelsong wird gar einem Schnepfenaal gehuldigt. Wenn das nicht niedlich ist. Andere Lieder handeln indes von Tuberkulose oder Bob Dylans unehelicher Tochter. Das ist weniger possierlich, nein, höchstens vielleicht skurril. Aber warum? „Die Reaktionen auf uns sind nach wie vor von Ratlosigkeit geprägt“, weiß Durstewitz zu berichten.

Tatsächlich verfügen Ja König Ja, die mit dem Bassisten Stefan Barg und dem Percussionisten Marco Dreckkötter inzwischen als Quartett arbeiten, über einen höchst eigenen Sprachstil, der hierzulande vergeblich seines gleichen sucht. Was für die einen zu naiv und unschuldig klingt, ist für andere hellwach und abgeklärt. Kategorisierungsversuchen folgt so meist ein und dasselbe paradoxe Ergebnis. „Das tönt wie Kind und Greis zugleich“, weiß Durstewitz von der beiläufigen Reaktion eines Schweizer Hotelorganisten zu berichten. Ein wahrer Mund. Doch gerade was die Texte angeht, pocht Durstewitz auf das Recht inhaltlicher Eigenständigkeit: „Es hat Sinn und Wert, so etwas zu machen.“ Daß der öffentliche Diskurs woanders stattfindet, wird derweil leicht schmollend zur Kenntnis genommen: „Gegen Blumfeld sind wir das niedliche Pärchen, das so Tralala-Texte macht.“

Als Ebba Durstewitz vor sechs Jahren von Nordhorn nach Hamburg zog, wußte sie bereits, daß sie dem, was hier zur Diskussion stand, nichts Nennenswertes hinzufügen wollte. „Mit vierzehn wäre das noch anders gewesen. Als Teenie in der kleinen Stadt war ich politisch noch extrem aktiv und kam auch mal mit Fäusten“, erzählt sie. „Daher fand ich niemanden, der mit mir eine Band gründen wollte. Ich galt allgemein als schwierig.“

Jakobus Siebels, mit dem sie dann in Hamburg Ja König Ja ins Leben rief, hatte zuvor schon mit dem trashigen Unterhaltungs-Duo Das Neue Brot ähnliche Erfahrungen gemacht. Wenngleich unter ganz anderen Vorzeichen: „Mit Jakobus und mir stehen sich Spontaneität und Reflexion gegenüber. Ich kenne niemanden, der so viele Bauchentscheidungen fällt wie er. Der hat diese ganzen Probleme nicht. Das ist beneidenswert.“

Glücklicher Jakobus. Was macht der eigentlich gerade? „Der sitzt jetzt natürlich zu Hause, häkelt Deckchen, hängt die Wäsche auf und backt den Kuchen.“