Kommentar
: Aktionismus mit blinden Flecken

■ Senator Branoner auf vollen Touren

Hyperagil, aber eindimensional – so zappelt CDU-Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner durch den 16stündigen Arbeitstag. Gerne garniert er seine atemlosen Parforceritte durch das globale Wirtschaftsdorf mit jugendlich wirkenden englischen Floskeln und streut immer häufiger ein „ah, oui“ oder „exactement“ ein, das den ZuhörerInnen bewunderndes Staunen abnötigt über soviel Weltläufigkeit. Branoner hat sich für sein erstes und vorerst letztes Jahr als Berliner Wirtschaftssenator ein Programm verordnet, das für zwei Legislaturperioden nicht zu mager bemessen wäre. Nicht nur, daß bei soviel Betrieb einiges unter die Räder zu geraten droht – der Senator gibt sich zudem alle Mühe, als modernisierte Kopie seines Vorgängers Pieroth zu erscheinen.

An oberster Stelle der Politik steht die Wirtschaftsförderung, das Werben um neue Investoren und die Pflege der bereits ansässigen Unternehmen. Danach kommt lange erst einmal nichts auf der Prioritätenliste. Zwar ist das Buhlen um Firmenansiedlungen angesichts der Standortkonkurrenz nicht nur zu Brandenburg, sondern auch zu anderen Weltregionen durchaus notwendig. Kein Wirtschaftsminister kommt daran vorbei. Branoner freilich verkennt, daß die Reduzierung staatlichen Handels auf einen isolierten Aspekt die Lösung der Berliner Probleme durchaus erschwert.

Die Investorenpflege nämlich ersetzt bislang nicht ansatzweise die Arbeitsplätze, die permanent wegbrechen. Weil die Startposition einfach zu schlecht ist, wird das in den nächsten Jahren auch so bleiben. Es mangelt also an einem Konzept, was man sonst tun kann.

In den Stadtteilen etwa fehlen Angebote von Dienstleistungen wie Computer- und Sprachunterricht, Alten- und Kinderbetreuung. Die haushaltsnahen Dienstleistungen sind natürlich bei weitem nicht so hip wie Callcenter und Biotechnologie. Zudem bedürften sie häufig einer langfristigen staatlichen Basisfinanzierung, denn auf dem Markt alleine verdienen sie nicht genug. Mit relativ geringen Mitteln allerdings könnten in diesem vernachlässigten Bereich tausende Jobs geschaffen werden. Die Umleitung der einen oder anderen Fördermillion würde überhaupt nicht schaden. Hannes Koch

Bericht Seite 20