Grüne nehmen Kurs auf "Rot-Grün pur"

■ Entgegen einer Absprache haben führende Grüne einen Parteitagsantrag vorgelegt, der der Zusammenarbeit mit der PDS eine Absage erteilt. Befürworter einer Tolerierung durch die PDS sind verärgert, aber

Führende grüne PolitikerInnen haben für die Landesdelegiertenkonferenz am 19./20. Februar einen Antrag vorgelegt, der der Zusammenarbeit mit der PDS eine klare Absage erteilt. „Es wird in Berlin keine Koalition und auch keine Tolerierung durch die PDS geben“, heißt es in dem Papier. Zu den VerfasserInnen zählen die sogenannten „Schauerfelder“ um den Abgeordneten Wolfgang Wieland, die als „grüne Mitte“ gelten, aber auch die Parteilinken Renate Künast und Sibyll Klotz.

„Allein schon aufgrund der Entwicklung der PDS in den letzten vier Jahren wird es nach der Wahl am 10. Oktober 1999 keinen Verhandlungsauftrag für eine Koalition oder eine Tolerierung geben“, schreiben die AutorInnen. Zudem lehne die SPD eine rot-grüne Minderheitsregierung, die von der PDS toleriert wird, ab.

Zur Begründung führen die VerfasserInnen die jüngste Entwicklung der PDS an. Die Partei habe die letzten vier Jahre verstreichen lassen, ohne eine glaubwürdige Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte in Angriff zu nehmen. Vielmehr sei eine „Rückwärtsbewegung“ festzustellen. Zugleich wenden sich die VerfasserInnen gegen eine Stigmatisierung der PDS. „Wir haben uns bemüht, nicht alle Türen für immer zuzuschlagen“, sagte gestern Renate Künast. Sie plädierte für eine schnelle Klärung der grünen Haltung: „Wir müssen eine eindeutige Position beziehen, sonst diskutiert die ganze Stadt darüber.“ Ein Beschluß wird aber erst bei einem Parteitag im März erwartet.

Der Vorstoß der „Schauerfelder“ löste bei einigen Befürwortern einer PDS-Tolerierung erhebliche Verärgerung aus. Damit sei eine Absprache gebrochen worden, wonach keine Seite einen eigenen Antrag einbringen sollte, hieß es. Jochen Esser, der zusammen mit Bernd Köppl zu den entschiedensten Verfechtern einer PDS-Tolerierung zählt, gab sich gestern dennoch versöhnlich. „Gegen einen Großteil der Formulierungen habe ich nichts einzuwenden“, sagte er. Auch er sei von der Entwicklung der PDS enttäuscht. Der Reformprozeß komme nicht voran, die Reformkräfte scheuten die Auseinandersetzung. Esser gab allerdings zu bedenken, daß die Absage an eine Tolerierung womöglich die Fortsetzung der Großen Koalition bedeute. Vor diese Alternative gestellt, würde er sich für die Tolerierung entscheiden, so Esser. Eine solche Abwägung fehle ihm in dem Antrag.

Vor vier Jahren endete die grüne PDS-Debatte mit einem Patt: Befürworter und Gegner einer Tolerierung durch die PDS waren in etwa gleich stark. Aufgrund der Entwicklung der PDS dürften sich die Kräfteverhältnisse inzwischen aber zugunsten der Gegner verschoben haben, schätzte Esser die Lage ein.

Doch bleibt die PDS-Frage umstritten. „Die Koalitionsfrage ist jetzt nicht die drängendste Frage für die Grünen“, kritisierte die Abgeordnete Ida Schillen, die bei der Landesdelegiertenkonferenz für das Amt der Vorstandssprecherin kandidiert. Sie sieht zwar auch „erhebliche Probleme“ bei der PDS, hält es aber für falsch, jetzt eine so harte Position zu beziehen. „Wenn der SPD-Spitzenkandidat Walter Momper wegen der PDS-Frage mahnend den Finger hebt, beschließen wir das brav. Das ist nicht förderlich“, sagte Schillen. Dorothee Winden