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: Eine eigene „Zunft“

„Mit Koran und greller Schminke“, 20.15 Uhr, N3

Transsexuelle in Pakistan – das klingt zunächst wie der zynische Witz eines Werbetexters, der seine Nase zu tief in den Schnee getaucht hat. Doch in seiner bemerkenswerten Dokumentation zeigte Hajo Bergmann, daß sexuell anders Strukturierte ausgerechnet in einem fundamentalistischen Land eine menschenwürdige Existenz führen können. Mehr noch. Transsexuelle „Männer“, sogenannte Khusras, berufen sich in Pakistan auf einen eigenen Mythos. Als streng gläubige Muslime leben sie in familienähnlichen Guru-Gemeinschaften und bevölkern eine spezielle gesellschaftliche Enklave: Auf Hochzeiten und sonstigen Festen verdingen sie sich in der Amüsement-Manufaktur – eine eigene „Zunft“ aus Sängern und traditionellen Narren.

Auf sympathische Weise bezog der Film die Kamerapräsenz mit ein und legte offen, daß ihm nur das Vertrauen eines Szene-Fotografen Einblicke in die Welt der Khusras ermöglichte. Aus der Anzahl seiner Fotos ergibt sich via Hochrechnung, daß etwa 10.000 Khusras in Pakistan leben. Demnach wäre etwa jeder 10.000ste in Pakistan geschlechtlich indifferent. Die Geschichte einer jungen Khusra, die bei ihrem Guru todunglücklich ist und zu einem anderen wechseln will, gab dem Film einen dramaturgischen Bogen. Daß die Khusras in einer Art Rätedemokratie organisiert sind und die Probleme des Guru-Wechsels auf eigens einberufenen Versammlungen lösen, ist ein überaus interessanter Einblick. Was jedoch in Pakistan mit transsexuellen „Frauen“ geschieht, blieb dagegen ebenso dunkel wie die Frage nach jenen Khusras im Grenzbereich der Prostitution. Aber eine spannende Dokumentation muß ja nicht unbedingt jeden Punkt erhellen. Manfred Riepe