Risse in Gayharmonie

■ Buchkritik: „Freundschaft unter Vorbehalt“

Alles so schön bunt hier. Anders als vor ein paar Jahren präsentiert sich heutzutage unter Regenbogenflagge und West-Reklame eine gay community, die hemmungslos harmonisch daherkommt. Lesben und Schwule scheinen ihre Separatismen abgelegt zu haben – suggerieren immer größere CSD-Paraden.

Bei näherer Betrachtung allerdings entpuppen sich solcherart Verschwisterungen meist als Verbrüderungen, kritisiert die Berliner Soziologin Sabine Hark. Sie ist Mitherausgeberin des Buches „Freundschaft unter Vorbehalt – Chancen und Grenzen lesbisch schwuler Bündnisse“, das sie jetzt im Kulturzentrum „belladonna“ vorgestellt hat. Eine ihrer Hauptthesen: Schwullesbisch ist zu einem Begriff geworden, der verschleiert, daß Schwule das Wort führen, und Lesben schweigen.

Einen Beleg dafür bietet die soeben in Oldenburg angelaufene Ausstellung „100 Jahre Schwulenbewegung“. Die vom New Yorker Goethe-Institut in Auftrag gegebene Ausstellung verschweigt bereits im Titel die Zielsetzung, nämlich die Emanzipation homosexueller Männer und Frauen.

„Es sind aber gerade die Versionen historischer Erinnerung, die konstruieren, wer wir sind, und uns erzählen, wo wir uns politisch positionieren und positioniert werden“, unterstreicht die Soziologin. Solange selbst Galionsfiguren der linken Bewegung wie der Journalist Elmar Kraushaar schwule Geschichtsklitterung betreiben, indem er Stonewall als das militante Erbe von „Tunten, Transen und Schwulen“ reklamiert, während gleichzeitig die Rede von „lesbischwuler Gemeinsamkeit“ sei, werde der Prozeß der Unsichtbarmachung von Lesben fortgesetzt.

Trotzdem plädiert Sabine Hark für das Eingehen von Bündnissen, die sie in Hinsicht auf gesellschaftliche Veränderungen für unumgänglich hält. Nämlich dann, wenn Unterschiede zwischen schwulen und lesbischen Identitäten offen thematisiert werden, ohne dabei die Differenzen als unverrückbare Grenzsteine zu fetischisieren.

„Freundschaft unter Vorbehalt“, Querverlag Berlin dah