Der Besuch der alten Dame

■ Leni Riefenstahl machte der Ausstellung im Filmmuseum Potsdam ihre Aufwartung, nachträgliche Autorisierung inklusive. Die forsche Abschirmung der Regisseurin gegen unliebsame Fragen war überflüssig: Niemand wollte ihr Böses

Am Samstag war sie also da. Leni Riefenstahl ließ sich von der Museumsdirektorin durch die Ausstellung des Filmmuseums Potsdam führen. Danach befand sie, daß die Schau zu ihrem Leben und Werk ganz wunderbar gelungen, nicht nur Hommage, sondern – man staune – auch mit der notwendigen Kritik versehen sei. „Korrekt gemacht.“ Obwohl sie sich doch, da sie krank war, gar nicht um den Aufbau kümmern konnte. Die Direktorin blickt amüsiert zur Seite. Und strahlt zufriedenen Besitzerstolz aus – hinsichtlich ihrer Trophäe, die sie nun der Presse präsentieren darf.

Daß ja niemand der alten Dame zu nahe kommt, die Fotografen sie zu sehr bedrängen. Und daß ihr ja niemand ungehörige Fragen stellt. Aber das kommt erst später im Verlauf der Pressekonferenz heraus. Als nämlich Bärbel Dalichow die Fragen der Journalisten für die etwas schwerhörige 96jährige noch einmal wiederholen muß. Da verkürzt sie die Fragen so, wie sie ihr, Bärbel Dalichow, am besten passen. Die Direktorin ist etwas zu schneidig, und das zur falschen Zeit und am falschen Ort (siehe taz vom 4.2.). Denn hier und heute will eh niemand der alten Dame Böses. Im Gegenteil. Der junge Mann von Radio 103,1 will etwa wissen, wo sie das Jahr 2000 zu feiern gedenkt! Und was sie „den jungen Leuten“ als Botschaft und Resümee ihres Lebens zu übermitteln habe. Vielleicht sind die blödesten Fragen am Ende die richtigen. Denn welche Antworten man auf Fragen nach ihrer Rolle im Dritten Reich erwarten kann, das weiß man. Dennoch ist es gespenstisch, wenn Leni Riefenstahl dem Publikum unbedingt vorrechnen will, daß sie ja nur insgesamt sieben Monate für Hitler gearbeitet hat. Wenn sie erklärt, daß sie nicht drei, sondern nur einen Parteitagsfilm gedreht habe. Weil doch der erste, „Sieg des Glaubens“, nur an einem Tag und nur mit drei Kameramännern gemacht worden sei. Eben gar kein „richtiger Film“ sei. Ähnliches gilt auch für den „Tag der Wehrmacht“. Selber schauen, was es damit auf sich hat, kann man ja nun nicht, da in Potsdam nur der eine, der richtige, läuft.

Die Bemerkung des Journalisten von Radio Eins, daß „Triumph des Willens“ doch maßlos langweilig sei, schockiert sie keineswegs. Ja klar, da seien ja auch nur marschierende Menschen zu sehen. Die Frage der Kollegin von der Berliner Zeitung, ob sie mit der Langeweile eines solchen Parteitags gerechnet und entsprechende Anstrengungen unternommen habe, das im Film zum Besseren zu manipulieren, geht aufgrund mangelnder Hilfestellung, das heißt mangelnder Übersetzung von seiten der Direktorin unter.

Sorge, daß der Mythos um „Triumph des Willens“ sich anläßlich seiner Wiederaufführung und der konstatierten Langeweile in Luft auflösen könnte, hat Leni Riefenstahl nicht. Immerhin gewann er doch bei der Weltausstellung in Paris 1937 die Goldmedaille. Er ist eben doch der beste all dieser langweiligen Filme, die man damals so spannend fand. Die Goldmedaille ist ihr auch Beleg dafür, daß es sich nicht um einen Propagandafilm handeln kann, sonst hätten ihr doch nicht ausgerechnet die Franzosen diese Medaille verliehen. Daß es mit der Weltausstellung von 1937 etwas Besonderes auf sich hat, daß die ganze Chose eine einzige Propagandaausstellung war, ist ihr offensichtlich – wie vieles andere – entgangen.

Im übrigen sei es nicht richtig, daß – wie in der Potsdamer Ausstellung gesagt – der Film aufgrund alliierter Bestimmungen nicht frei verfügbar sei. Das läge an ihr, sie besäße die Rechte und sie wolle nicht, daß die jungen Leute ihn ohne begleitende Aufklärung sehen. Derweil man noch im Konferenzsaal das blendende Aussehen der 96jährigen bestaunt, ihre kesse Aufmachung im weißen Pullover, weißen Keilhosen und weißen Stiefelchen mit Pelzbesatz, und sie jederzeit versteht, wenn sie sich, frisch wie sie ist, an die Direktorin wendet und sagt, „wenn ich zwanzig Jahre jünger wäre, so wie Sie...“ (Dalichow ist mehr als vierzig Jahre jünger), hat sich draußen die Ausstellung gefüllt. Unter dem bürgerlichen Publikum sind auch jene jungen, glatzköpfigen Menschen zu sehen, die gerne auf Aufklärung verzichten und im Gästebuch bekanntgeben: „Voll goil, das“. Brigitte Werneburg