Indonesien doch zu Referendum in Ost-Timor bereit?

■ Ost-Timor-Gespräche rücken erstmals Lösung des langjährigen Konflikts in greifbare Nähe

Bangkok (taz) – In New York überschlugen sich gestern die Ereignisse: Bei den Ost-Timor-Gesprächen zwischen den Außenministern Indonesiens und Portugals haben sich beide Seiten überraschend „im Prinzip“ darauf geeinigt, die Osttimoresen über ihre Zukunft entscheiden zu lassen. Dies gab zumindest der portugiesische Außenminister Jaime Gama am Sonntag abend bekannt. Vom indonesischen Außenminister Ali Alats lag dazu bisher keine klare Stellungnahme vor.

Sollten Gamas Worte zutreffen, würde die Unabhängigkeit der ehemaligen portugiesischen Provinz, die 1976 von Jakarta annektiert wurde, zum ersten Mal in greifbare Nähe rücken. Nach bisherigen Informationen könnte der von UN-Generalsekretär Kofi Annan vermittelte Fahrplan für Ost- Timor so aussehen: Bis April verständigen sich Indonesien und Portugal über die Details eines Autonomieplans. Jakartas Außenminister hatte Ende letzter Woche erstmals erläutert, wie weit Jakarta den Osttimoresen entgegenkommen will: „Sie können ihre eigenen Wahlen organisieren, sich ein eigenes Parlament geben und ihren eigenen Provinzchef bestimmen. Sie können sich sogar ihre eigene Flagge wählen.“

Noch vor August dieses Jahres würde die UNO die Osttimoresen befragen, ob sie den Autonomieplan annehmen wollen. Wenn sie ihn, wie erwartet, ablehnen, beginnt eine mehrmonatige Übergangszeit, in der die Ex-Kolonialmacht Portugal die Verwaltung Ost-Timors erneut übernimmt und Indonesien sich allmählich zurückzieht. Die UNO, so die Überlegung, soll in dieser Periode Blauhelmtruppen und Polizisten in die Region schicken, um einen Bürgerkrieg zu verhindern. Jakarta benutzt die Angst vor einem potentiellen Bürgerkrieg bisher, um die Osttimoresen von der Unabhängigkeit abzuhalten. Nach der Übergangszeit sollen die Osttimoresen in einem weiteren Referendum entscheiden, ob sie unabhängig werden wollen. Bislang hatte sich Indonesien stets geweigert, eine Volksbefragung zuzulassen. Doch nach Ansicht Gamas wird es auf ein Referendum hinauslaufen – egal, wie es heißt.

Gama sagte: „Es geht darum, das Gesicht aller Beteiligten zu wahren. Das Gesicht für Indonesien wahren, für uns, für die Timoresen.“ Da die UNO Indonesiens Annexion Ost-Timors nie anerkannt hat, gilt Portugal weiterhin als rechtmäßiger Vertreter der Inselhälfte mit ihren 800.000 Bewohnern. Selbst überzeugte Anhänger einer Unabhängigkeit für Ost-Timor wie der inhaftierte Chef der Unabhängigkeitsbewegung Fretilin, Xanana Gusmao, warnen vor einer zu schnellen Trennung von Indonesien. Sie fürchten ein Blutvergießen. In den vergangenen Tagen kam es immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern der Herrschaft Indonesiens.

Offiziere in Dili haben inzwischen zugegeben, was Armeechef Wiranto heftig bestritt: Das indonesische Militär gab Waffen an paramilitärische Gruppen aus, die gegen die Unabhängigkeit kämpfen wollen. Die Situation in Ost-Timor ist deshalb trotz einer sich anbahnenden diplomatischen Lösung hochexplosiv. Jutta Lietsch