Kreuzbraver Inzest

Lust ohne Leidenschaft: Das Geschwisterdrama „Haus der Jasager“ bleibt seltsam unmotiviert  ■ Von Gyde Cold

Jackie hatte bei der Geburt Martys Penis in der Hand“. So lapidar gesprochen, begründet sich in The House Of Yes die inzestuöse Beziehung des Zwillingspaares. Durch solch gezielte Oberflächlichkeit zerfällt das Familiendrama zur Karrikatur – dabei hatte die amerikanische Autorin Wendy McLeod The House Of Yes 1990 als Tragikomödie angelegt. Am Berliner Maxim-Gorki-Theater lief sie auch als solche erfolgreich. Patrik Fichte, der junge Gastregisseur des Theaters in der Basilika, entschied hingegen, seine Inszenierung des Hauses der Jasager – so der deutsche Titel – erwachsen werden zu lassen. Weil die Story das nur in begrenztem Maße ermöglicht, konnte es allerdings nicht ganz gelingen, das Komödiantische zu eliminieren.

Mrs. Pascal ist der Meinung, daß ihre Zwillinge Jackie und Marty unauflöslich zusammengehören. Entsprechend groß ist ihre Empörung, daß Marty seine Verlobte Lesly zum Thanksgiving-Fest mit nach Hause bringt. Die ist als einzige im Besitz eines gesunden Menschenverstandes, läßt sich jedoch auch zwischendurch in den Sumpf der emotional verkrüppelten Familie ziehen. Während ihr Verlobter sich mit seiner Schwester vergnügt, läßt sie sich vom jüngsten Bruder Anthony verführen.

Wären einige Kalauer gestrichen und das aufgeregte Gestikulieren einiger Schauspieler auf ein normales Maß gestutzt worden, hätte die Chance bestanden, den Zuschauer in den Bann zu ziehen. Da die Jasager aber keine tragischen Figuren mit echten Gefühlen sind, ist kein Funken nagendes Leid oder brennende Lust zu entdecken. Die Figuren bleiben verhalten und schal, sind in ihrer engen Welt gefangen. Auch wenn die „verrückte“, „kranke“ oder „einfach nur verwöhnte“ Jackie mal ein bißchen schreit, scheint sie doch nur von unsichtbaren Motoren angeschoben, den ewig gleichen eintönigen Unsinn zu machen.

Die Darsteller können das Hohle der Figuren nicht vollends auffangen. Besonders blaß ist der geliebte Marty geraten. Die schwächste Person und deshalb am Ende das Opfer der familiären Agonie wird als Mann ohne Eigenschaft von Roland Kieber gespielt. Bleibt die Frage, weshalb er überhaupt seiner Schwester Jackie verfallen ist – soll sie seine erotische Obsession darstellen, oder handelt es sich gar um Liebe? Maike Schiller als Lesly läßt wenigstens in kurzen Momenten ihr Talent aufblitzen. Die anderen spielen gut, belassen die Figuren aber gleichzeitig zu brav.

In ihrer desolaten Beschränkheit und Eindimensionalität scheinen die Personen einer Seifenoper entstiegen – das ist zeitgeistig, aber nicht neu. Dazu passen auch die dauernden Unterbrechungen, die der Umbau der Bühne verlangt; wie bei den Werbeblöcken im Fernsehen fällt alle fünf Minuten der Vorhang und Pausenmusik erklingt. Wer sich allerdings gerne irreale Familienstorys aus der degenerierten Bourgeoisie ansieht, für den mag das Haus der Jasager Unterhaltungswert haben.

Noch heute, 15., 18., 22., 24. Februar sowie 1., 8., 15. und 17. März, 20 Uhr