Der „preiswerte Sonderposten Arbeitskraft“

■ Mehr als 90.000 HamburgerInnen sind derzeit arbeitslos gemeldet

„Die Schonfrist für die rot-grüne Bundesregierung ist vorbei.“ Nun soll sie endlich ihr wahres Gesicht zeigen, befanden gestern rund 60 aufrechte Erwerbslose, die sich am Vormittag vor der Zentrale der SPD versammelten. Denn „Millionen Arbeitslose“ dürften nicht weiterhin „als preiswerter Sonderposten Arbeitskraft zwischen die Mahlsteine von Regierungspolitik und den Profitinteressen der Arbeitgeber geraten“. Die neue Regierung möge daher endlich dafür sorgen, daß in der Kohl-Ära eingeführte Zwangsmaßnahmen, wie etwa die Meldepflicht für Arbeitslose, wieder zurückgenommen werden.

Nur einige Häuser weiter, im Hamburger Arbeitsamt, zeugten die mit Wartenden gefüllten Flure davon, daß es in der Stadt mehr als 60 Erwerbslose gibt: Insgesamt 90.314 Menschen waren im Januar in Hamburg arbeitslos gemeldet. Das sind 11,2 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung der Stadt. Im Vergleich zum Vormonat stieg die Arbeitslosigkeit damit um knapp 3000 Menschen an – „traditionell bedingt“, so erklärte Gundula Raupach, die stellvertretende Chefin des Arbeitsamts: „Im Januar sorgen Wind und Wetter für diese Zunahme.“ Insgesamt habe sich jedoch der positive Trend auf dem Arbeitsmarkt fortgesetzt. Immerhin zählte das Arbeitsamt im Vorjahr um diese Zeit noch 98.000 Erwerbslose.

Gesunken ist innerhalb dieses Jahres auch die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen (minus 13,5 Prozent). Doch immer noch sind rund 2000 Jugendliche erwerbslos gemeldet, die jünger als 20 Jahre alt sind, 7600 junge Erwachsene unter 25 suchen Arbeit oder einen Ausbildungsplatz. Um ihnen zu helfen, setzt auch die Hamburger Arbeitsverwaltung auf das Sofortprogramm der Bundesregierung gegen Jugendarbeitslosigkeit.

Mehr als 2600 junge HamburgerInnen wurden im Laufe des Januars vom Arbeitsamt angeschrieben, rund 250 von ihnen nehmen bereits an einer ersten Trainingsmaßnahme teil, um, so Raupach, „selbst zu entdecken, was in ihnen steckt“. 100 Jugendliche lehnten das Angebot ab – wer dies ohne überzeugende Gründe tue, so warnte gestern das Landesarbeitsamt Nord in Kiel, müsse mit finanziellen Konsequenzen rechnen, sofern er Arbeitslosen- oder Sozialhilfe beziehe.

Anders als bei den Jugendlichen steigt die Zahl der Erwerbslosen, die 55 Jahre und älter sind, kontinuierlich an: 18.600 von ihnen suchen derzeit einen Arbeitsplatz. „Ältere Arbeitnehmer werden nicht entlassen, weil sie nicht mehr leistungsfähig sind“, konstatierte gestern Arbeitsämtlerin Raupach. Und vermutlich dachte sie an die laufenden Tarifverhandlungen der IG Metall, als sie hinzufügte: „Sie verlieren ihren Job, weil das Lohnniveau zu hoch ist.“ Karin Flothmann