Er wußte auch keinen Rat

■ Das kriselnde „Neue Deutschland“ wartet vergebens auf eine Entscheidung des PDS-Chefs

Per Standleitung meldete sich einst der Generalsekretär der SED in der Chefredaktion des Zentralorgans Neues Deutschland, um die Schlagzeile des Tages abzusegnen. Daran erinnern sich altgediente ND-Redakteure dieser Tage. Heute müssen sie nämlich vergeblich auf Führung von ihrem Parteichef warten. Zwar kam der PDS- Vorsitzende Lothar Bisky am Dienstag persönlich ins ND-Verlagsgebäude in Berlin-Treptow. Entscheiden mochte er aber nicht im erbitterten Richtungsstreit, der die „sozialistische Tageszeitung“ in Parteieigentum erfaßt hat.

Bedächtig verweigerte er „Hauruckaktionen“ und meinte damit die Entscheidung, wer von den beiden verfeindeten Männern an der Spitze der Zeitung gehen soll, Geschäftsführer oder Chefredakteur. Das war nicht das Ergebnis, daß sich die Kontrahenten und ihre gebeutelte Redaktion erhofft hatten. Sie hatten so auf den Vorsitzenden gehofft. Und nun wollte er nur eine „externe Arbeitsgruppe“ einsetzen, die nach Wegen aus der ND- Krise suchen soll.

Und die Not ist groß: Nicht nur die Auflage sinkt – nur noch durchschnittlich 65.000 Menschen wollen das ND täglich kaufen. Dazu kommt der Richtungsstreit, der immer schärfer wird und die Führung des Blattes spaltet. Geschäftsführer Wolfgang Spickermann mahnt seit Monaten „inhaltliche Änderungen“ an. Es soll im Blatt vor allem um die PDS und ihre Vorfeldorganisationen gehen. Beobachter, die nicht aus dem Umkreis der Partei stammen, mögen einwenden, schon heute schreibt das ND genau so. Chefredakteur Reiner Oschmann aber wähnt sein Blatt auf „linkem, pluralistischem“ Kurs, den er unbedingt halten will. Spickermann und Oschmann können nicht mehr miteinander, wer gehen will, sollte die PDS entscheiden, die de facto Alleinbesitzer des ND ist.

Nun müssen der streitende Geschäftsführer und der Chefredakteur eine Entscheidung erzwingen. Per „offenem Brief“ drohte Spickermann schon im Dezember seine Kündigung an, Chefredakteur Oschmann bat im Januar die Parteispitze um Intervention.

Doch nun ist das erbetene, erwartete und erhoffte Machtwort ausgeblieben: „Jegliche Zentralorgan-Zeiten“, sagte Bisky, „sind endgültig vorbei“, und machte aus seiner eigenen Ratlosigkeit keinen Hehl: „Ich habe keine Lösungsvorstellung, die mich wirklich befriedigt“, erklärte Lothar Bisky. Zwar sei eine Regelung der Konflikte unerläßlich, aber bis dahin möge man sich doch zusammenraufen: Schließlich verfügte der Parteichef noch die Bildung einer „externen Arbeitsgruppe“.

Beim ND ist damit niemand so recht zufrieden. Die Mitarbeiter haben die Grabenkämpfe und die vergiftete Atmosphäre im Haus gründlich satt. Chefredakteur Oschmann klagt über „die Gefahr der Verschleppung von Problemen“. Geschäftsführer Spickermann kommentierte noch bissiger, das Ergebnis sei „mehr als nicht zufriedenstellend“ und reichte seine fristgerechte Kündigung ein. Auch wie der Gesellschafter PDS mit dieser Kündigung umgehen wird, weiß Bisky noch nicht. Robin Alexander