Wer bitte ist James Cameron?

Der Segler, Wikinger und Super-8-Filmer Rasmus Hirthe bietet mit seiner „Titanic“-Version Hollywood Paroli  ■ Von Gyde Cold

So ein Schietwetter, sag ich nur, jetzt hab ich mir glatt eine Schniefnase eingefangen – alles weitere erfahrt ihr von Titanicman unter 0171...“, ist Rasmus Hirthe vom Band zu hören. Dieser Tage ist er viel beschäftigt, denn die Presse reißt sich um den Hamburger Filmstudenten, der es wagte, den Kampf mit James Cameron aufzunehmen: Der teuersten Titanic-Produktion aus den USA hat Rasmus anderthalb Jahre später die billigste entgegengesetzt. Für die 119. Verfilmung des Seefahrtsdramas reichte ihm ein Budget von 12.000 Mark.

Die Kosten des schwarz-weiß auf 92 Super-8-Filmrollen gedrehten Streifens konnten nur durch Material-Spenden und 100 gerne umsonst mitwirkende Freunde gebremst werden. Es juckte allen unter den Fingernägeln, die Liebesschnulze made in Hollywood mit einem Splatterfilm made in Hamburg zu kontern. Bei Rasmus folgt der Untergang der Titanic einer anderen Logik. Die mitreisenden Frauen lassen das Schiff bewußt auf den Eisberg laufen, um die Menschheit vor ihrem Untergang zu retten. Von einer ägyptischen Mumie im Laderaum infiziert, mutieren nämlich alle Männer an Bord zu Zombies. Am Ende dieser schauerlichen Mär, die sich als Stummfilm an Vorbildern aus den 20er Jahren orientiert, entfernen sich die glorreichen Frauen mit stolzgeschwellter Brust auf Rettungsbooten. Rasmus konnte sich nicht vorstellen, daß die Männer 1912 wirklich ihren Frauen und Kindern den Vortritt beim Verlassen des sinkenden Schiffes gelassen haben sollen.

Schon als Kind wurde der 28jährige vom Mythos der Titanic befallen. Sein Großvater war Bootsbauer, da ist es normal, Seemannsgarn zu spinnen, kleine und große Schiffe zu Wasser zu lassen und den Dingen auf den Grund zu gehen. Mit dem Segelboot seines Opas verbringt Rasmus, wenn er sie hat, seine freie Zeit: Entweder unter Segeln auf dem Wasser oder mit Schleifpapier und Farbe ausgerüstet an Land, um das alte Holzschiff wasserfest zu halten.

Die Faszination für das Meer und Skandinavien trägt er sichtbar mit sich: hinten ein dünner langer, vorne ein kurzer geflochtener Zopf aus Barthaar, ganz so wie „jeder Prolet bei den Wikingern“ einen getragen hat. Ob seine Urahnen auch schon mehrere Ringe durch Ohr und Nase trugen, konnte er nicht mehr überprüfen.

Vom Meer inspiriert sind auch seine ersten Filme. Im Möven-Film von 1996 animiert er mit Edding ein paar Möven zu einminütigen Flügen über rollender See, in der zum Schluß auch schon eine Titanic untergluckert. Für Die Wikinger inszenierte er eine Seeschlacht im Schanzenpark. In Ebbe und Flut verfolgte das Auge der Kamera den Gezeitenwechsel eines Tages im Zeitraffer, beobachtet am Övelgönner Hafen. Bisher hat Rasmus nur mit der Super-8-Kamera gefilmt, weil die Qualität der Bilder „so schön unscharf“ ist und weil sie keinen Ton aufnehmen kann. Weil ihm „der visuelle Ansatz“ in seinen Filmen am wichtigsten ist, will er auf diesen schrammeligen Charme nicht verzichten.

Uncool und frei wie er ist, berichtet Rasmus von seinem bisher erfolgreichsten Film: Wendland, den er als Dokumentation 1997 ebendort drehte. Zu neun geballten Minuten hat er die Ausschreitungen von Polizei und Bundesgrenzschutz gegen die Demonstranten der Castor-Transporte zusammengeschnitten. Nachdem ihm bei der ersten Demonstration ein Jochbein gebrochen, beim zweiten Mal die Hand verdreht worden war, beschloß er, das dritte Mal lieber zu filmen, zumal er nach einem schweren Radunfall mit Schädelbruch kein Riskiko eingehen wollte.

Nach der Kinopremiere von Titanic will Rasmus erstmal mit seiner Freundin auf die Steilküste nach Fehmarn fliehen, um dort in Ruhe wenigstens eine Pulle Wein zu trinken, bevor er sich daran macht, einen Verleih für den Film zu finden. Wir warten derweil geduldig auf Nachschub.

Premiere von „Titanic“: Sonntag, 17 Uhr. Weitere Aufführungen am Montag und Dienstag, 17 Uhr sowie Freitagnacht, 1 Uhr, Zeise