Mach's noch einmal, Bill!

■ Das Impeachment-Verfahren gegen den US-Präsidenten ist gescheitert. Die Lewinsky-Affäre entpuppt sich für die Republikaner als schwere Niederlage – etliche ihrer Senatoren stimmten gegen die Amtsenthebung Clintons

Washington (taz) – Das Amtsenthebungsverfahren gegen US- Präsident Bill Clinton ist gescheitert. Eine Mehrheit der Senatoren sprach ihren Präsidenten vom Vorwurf des Meineides (55 zu 45 Stimmen) frei. Der Vorwurf der Behinderung der Justiz ging mit 50 zu 50 Stimmen unentschieden aus. Damit verfehlten die Vertreter der Anklage aus dem Repräsentantenhaus nicht nur die für den Sturz Clintons notwendige Zweidrittelmehrheit, sie erreichten nicht einmal eine einfache Mehrheit.

Der Freispruch geht einher mit parteiübergreifender moralischer Verurteilung. Ob die ihren Niederschlag in einer vom Senat ausgesprochenen Rüge finden würde, stand bei Redaktionsschluß noch nicht fest. Privat jedoch äußerten sich Senatoren bereits dazu: „Clinton wird in die Geschichte als einer der meisterhaftesten und geschliffensten Lügner der Geschichte der amerikanischen Politik eingehen“, sagte der republikanische Senator Bennett aus Utah. „Der Präsident hat sich unmoralisch, grob fahrlässig und schändlich verhalten. Er hat das amerikanische Volk, sein Kabinett und die Justiz belogen und damit Schande auf sein Amt und sich selbst gehäuft“, so die demokratische Senatorin Dianne Feinstein aus Kalifornien.

Mit dieser Abstimmung gehen eine Affäre und ein Verfahren zu Ende, die den Senat 5 Wochen, das Repräsentantenhaus 2 Monate und die Nation 13 Monate lang beschäftigt hatten. Die Ermittlungen des Sonderstaatsanwaltes Kenneth Starr kosteten den Steuerzahler an die 50 Millionen Dollar. Dafür bekam die Öffentlichkeit eine multimediale Chronique scandaleuse von intimer Detailliertheit, sozusagen eine moderne, sehr technische, wenn auch wenig poetische Version der „Gefährlichen Liebschaften“ – zusammen mit einer Flut hochtrabender Reden über die amerikanische Verfassung, die dieses alles möglich machte.

Das sexuelles Verhältnis zwischen dem Präsidenten und einer Praktikantin im Weißen Haus hatte die Aufmerksamkeit des Sonderermittlers Kenneth Starr auf sich gezogen, weil der ein Verhaltensmuster von Leugnung, Justizbehinderung und Zeugenbeeinflussung verfolgte, das er ursprünglich bei der Durchleuchtung eines undurchschaubaren Immobiliendeals in Arkansas entdeckt zu haben glaubte, in den Clinton verwickelt gewesen sein sollte.

Bereits am Tage vor der Abstimmung wandte sich die Aufmerksamkeit in Washington der Nach-Impeachment-Ära zu. Sie wird von der Fortsetzung parteipolitischer und institutioneller Grabenkämpfe bestimmt sein. Starr erwägt die Anklage Clintons vor einem ordentlichen Gericht. Das Justizministerium will untersuchen, ob Starr sich korrekt verhalten hat, als er bei Übernahme des Ermittlungsauftrages in Sachen Lewinsky verschwieg, daß Anwälte aus seiner Kanzlei Kontakt zu den Anwälten der Paula Jones gehabt hatten, und ob er Amtsmißbrauch beging, als er Monica Lewinsky in Abwesenheit eines Anwalts Immunität gegen Kooperation anbot.

Der Oberste Richter William Rehnquist, der die Verhandlungen des Senats leitete, erwies in seinen Abschiedsworten dem Gremium Reverenz: Er scheide als „weiserer, aber nicht traurigerer“ Mann und sei beeindruckt von der Qualität der Debatte. Peter Tautfest