Made in Klasse 9

Zehn Schülerunternehmen versuchen derzeit, sich auf dem Hamburger Markt zu behaupten  ■ Von Karin Flothmann

Thomas Pape ist Jungunternehmer. Wenn der 16jährige in Jeans und Pulli ans Mikrofon tritt, um interessierten Bankern die Struktur seiner Firma zu erläutern, versagt ihm schon mal die Stimme. Die Augen halten sich am Spickzettel fest, Blickkontakt mit dem Publikum vermeidet er. Thomas Pape ist Vorstandschef der Firma Leuschner Leistung – ein Name, der über die Ursprünge des Miniunternehmens Auskunft gibt. Denn der 16jährige ist auch Schüler, und zwar an der Realschule Leuschnerstraße in Bergedorf.

Seine Firma bietet Dienstleistungen aller Art. „Da mußten wir keine großen Investitionen tätigen.“ Ein Handy reichte für den Anfang aus, 400 Handzettel wurden gedruckt, und seither heimsen die SchülerInnen kleinere Aufträge ein. „Spezialisiert haben wir uns auf Nachhilfeunterricht“, sagt Pape, „der läuft am besten.“ Bei Bedarf bietet seine Firma auch Gartenarbeit, Babysitting oder Kurierdienste an. Die Kosten für die Dienste liegen bei sechs bis 15 Mark.

Zehn Schülerunternehmen nach Art der Leuschner Leistung gibt es seit Herbst vorigen Jahres in Hamburg. Ihre Angebotspalette reicht von künstlichen Fingernägeln oder Lampen bis hin zur Organisation von Feten. Ihre Namen lauten „La Ventana“, „Buckhilfe“ oder „Remedy“. Eines haben all diese Miniunternehmen gemeinsam: Sie werden nur ein Jahr lang existieren. Denn die Firman sind Teil des Projekts „Junior“, welches das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) 1994 ins Leben rief, um SchülerInnen der 9. bis 13. Klassen die Marktwirtschaft näher zu bringen.

Dabei geht es ums „Learning bei doing“, betont IW-Projektleiter Matthias Kenter. Die Minifirmen sollen agieren wie im richtigen Wirtschaftsleben: Sie müssen eine Geschäftsidee entwickeln und weiterverfolgen. Sie müssen sich Löhne auszahlen, eine ordentliche Finanzbuchhaltung führen und Bilanzen schreiben. „All das geschieht natürlich nur auf einer Mini-Ebene“, betont Kenter. Der Stundenlohn beträgt in der Regel 1,50 Mark. Sozialabgaben und Steuern werden ans IW abgeführt.

Für das Stammkapital stellt das Institut jedem Miniunternehmer sieben Aktien zum Stückwert von 15 Mark zur Verfügung. Die gilt es an den Mann oder die Frau zu bringen. Thomas Pape verkaufte seine Aktien an Eltern, Lehrer und Freunde. Entspricht das der harten Wirtschaftswirklichkeit? Ja, meint Alfred Lumpe von der Abteilung Gestaltung und Entwicklung des Schulwesens in der Hamburger Schulbehörde. „Das Klassenzimmer wird zur Chefetage“, lautet sein Slogan. Hier könnten SchülerInnen „früh lernen, sich mit der Marktsituation zu arrangieren und im Marktgeschehen zu bewähren“. Zweifellos fördere das Projekt „unternehmerisches Denken und Handeln“. Die Miniunternehmer selbst nehmen „Junior“ nicht ganz so ernst. „Spaß machen soll es vor allem“, meint Tobias Dangel. Der 19jährige ist Vorstandsvorsitzender der Firma ten2sixpromotion. Schon der Name spricht hier fürs Fun-Prinzip: Als alles Brainstorming nicht weiterhalf, schaute jemand auf die Uhr: Zehn vor sechs war's, und der Name stand fest.

16 SchülerInnen vom Gymnasium Hummelsbüttel wollen mit ten2six ins Geschäft der Produktpromotion einsteigen. Eine eigene Visitenkarte wurde am Computer schon entworfen. Weitere Aufträge, der Entwurf ein neues Schul-Logo oder eines Katalogs, sind zwar schon eingegangen, aber bei der Umsetzung hapert's noch. „Zum einen wollten wir Verträge machen, die uns gegen den Ideenklau absichern“, erklärt Tobias Dangel. Immerhin ist Produkt-design ja eine kreative Dienstleistung. Doch der konsultierte Anwalt, Vater eines Mitunternehmers, half nicht viel weiter. „Jetzt lassen wir die Verträge erstmal weg, damit's endlich losgehen kann.“

Dann ist da noch die Sache mit den Preisen. Die Druckereien, mit denen ten2six verhandelte, rückten bis heute keine Preislisten heraus. „Unsere Promotionabteilung konnte daher noch gar nicht richtig loslegen.“ Weil sich die Miniunternehmer aus Hummelsbüttel bisher auch noch keine Löhne ausgezahlt haben, arbeiten auch Finanz- und Verwaltungsabteilung bisher nur virtuell. Und schließlich platzten im Januar noch die Abiturprüfungen ins Unternehmensgeschehen und legten die Geschäftsaktivität für einen Monat brach. Tobias Dangel hat erst am vorigen Mittwoch seine letzte Klausur geschrieben. Dennoch bleibt er optimistisch. „Jetzt habe ich ja Zeit, mich um die Vorstandsgeschäfte zu kümmern.“

Projekte wie „Junior“, erklärt Eckard von Reden, Vorstandssprecher der Deutschen Ausgleichsbank (DtA), „fördern die Bereitschaft, unternehmerische Risiken auf sich zu nehmen“. Und neue, junge Unternehmen, da ist sich von Reden sicher, „verhelfen ,made in Germany' zu neuem Glanz“.

Der Mann muß begeistert gewesen sein, als im vorigen Jahr sieben Flensburger Schüler mit ihrer Minifirma Fäktorigs ein Spiel entwarfen. Um die Druckkosten zu finanzieren, wurde Firmen aus Flensburg Werbefläche auf dem Spielbrett geboten. Mit ihrem Logo waren viele dabei, das Spiel konnte gedruckt werden und wurde zum Renner. 1100 Stück verkauften sich zum Preis von 20 Mark noch während des Projektjahres. Dann löste sich die Minifirma auf. Doch die 16jährigen Hauptakteure von Fäktorigs hatten Feuer gefangen. Sie meldeten ein eigenes Gewerbe an, die zweite Auflage des Spiels ist mittlerweile auf dem Markt.

Diese Bilderbuchkarriere strebt Tobias Dangel nicht an. Der Abiturient wird erstmal zur Bundeswehr gehen. Anschließend will er Philosophie und Mathematik studieren. Wenn alles klappt, wie er es sich erträumt, wird der Mini-Vorstandsvorsitzende eines Tages Mathematik-Professor sein. „Zur freien Wirtschaft zieht mich gar nichts hin.“