Nachgefragt
: Einfach runtergestuft?

■ Nachteile für „auffällige“ Kinder

Ein Konzept der Bremer Sozialbehörde alarmiert Eltern verhaltensauffälliger Kinder: Statt in gemeinsamen Konferenzen von Eltern und Sozialarbeitern soll über Integrationshilfe künftig nur in den Sozialämtern entschieden werden. Wir sprachen darüber mit einer Findorffer Mutter aus der Integrationskita der Martin-Luther-Gemeinde:

taz: Frau Rot*, Sie haben ein Kind, das unter die Kategorie verhaltensauffällig fällt. Was heißt denn das?

Rot: Das heißt, daß unser Sohn aggressiv wird, wenn etwas nicht nach seinen Vorstellungen läuft, daß er manchmal unmotiviert Kinder schubst, beschimpft, Spielzeug wegreißt und manchmal aus innerer Unruhe heraus einfach nicht stillsitzen kann.

Dafür kriegte Ihr Kind bisher noch eine spezielle Förderung?

Ja, in Integrationsgruppen gibt es zwei feste Erzieherinnen, einen Zivildienstleistenden und eine Praktikantin. Außerdem für fünf Gruppen einen Pool von Therapeuten. Unser Sohn hat da eine feste Bezugsperson, die im Morgenkreis neben ihm sitzt und eingreift, wenn es eskaliert.

Nach den Plänen der Stadt soll ihr Sohn künftig nicht mehr ebenso gefördert werden wie schwerbehinderte Kinder. Ist das nicht ganz richtig? Da gibt es doch Unterschiede.

Natürlich muß ein schwerbehindertes Kind anders behandelt werden. Natürlich braucht es zum Beispiel seinen eigenen Zivi. Der Unterschied ist, daß unser Kind Probleme hat, die der ganzen Gruppe Schwierigkeiten bereiten. Ein Rollstuhlkind sitzt ruhig im Rollstuhl und muß nur hin und wieder gewickelt werden. Aber wenn so zwei drei dieser auffälligen Kinder auf einem Haufen sind – und sie ziehen sich merkwürdigerweise auch immer gegenseitig an – dann sprengt das den Vormittag.

Ist das so gravierend?

Na ja. Wo sollen die denn Sozialverhalten lernen, wenn nicht in der Kindergartenzeit? Wie soll das später in der Schule gehen? Es geht doch auch um Therapie für die Zukunft.

Was braucht Ihr Sohn, was ein normaler Erzieher nicht mitbringen würde?

Jemanden, der ihn von außen beobachtet und ihm Auswege zeigt. Verläßlich. Und wenn dann nach dem neuen Konzept dieser Jemand plötzlich nur noch für ein paar Stunden kommt, dann merkt unser Sohn natürlich umso mehr, daß er anders ist.

Ein anderes Thema: In dem Konzept der Sozialbehörde steht außerdem, daß die Konferenzen abgeschafft werden, in denen alle an einem Fall entscheiden, welche Hilfe Ihr Kind braucht. Diese Hilfekonferenzen, heißt es, sind ein tierischer bürokratischer Apparat. Haben Sie das auch so erlebt?

Ach wissen Sie, es ist ziemlich hart, als Elternteil da zu sitzen. Da kommt genau das zur Sprache, was man über sein Kind eigentlich weiß, sich aber immer nur so halb eingestehen möchte.

Wie oft findet das statt?

Einmal im Jahr.

Sitzt man auf der Anklagebank?

Nein, nein, das läuft auf eine gute Art zwischen Kindergarten, Sozialarbeitern und uns Eltern: Da versucht man herauszubekommen, was der beste Weg ist. Das kann über den Kindergartenbereich hinausgehen. Also die Frage, was sonst noch an Therapie passieren muß. Wenn diese Hilfskonferenzen jetzt abgeschafft werden, dann wird uns eben nur noch ein Beschluß mitgeteilt. So einfach ist das. Wir wissen alle, wie die Stadt sparen muß. Also befürchte ich, daß unser Sohn über unsere Köpfe hinweg runtergestuft wird.

Fragen: Fritz v. Klinggräff

*(Name geändert)