: Feurig eingesprungene Kratzfüße
Schaut doch mal, wie jung wir sind! – Doch das hilft uns leider nichts. In den Kammerspielen des Deutschen Theaters inszenierte der Leipziger Gastregisseur Wolfgang Engel Christopher Marlowes „Edward II.“ ■ Von Petra Kohse
Edward ist glücklich. Er ist König geworden und kann seinen aus England verbannten Geliebten Gaveston zurückrufen. Edward ist trotzig. Gaveston ist da, aber der mächtige Adel des Landes haßt den grobschlächtigen Günstling. Edward ist unglücklich. Der Adel hat Gaveston ermorden lassen. Es gibt Bürgerkrieg. Erst siegt der König, dann siegt der Adel. Edward endet in der Kloake des Schlosses, sein Sohn wird als Edward III. gekrönt.
„Die unruhige Regierungszeit und der jammervolle Tod König Edwards II. von England“ heißt das Drama, das der Shakespeare- Zeitgenosse Christopher Marlowe vor etwa 400 Jahren schrieb. Ein unverbrämtes Stück über einen schwulen Herrscher, geschrieben von einem Dramatiker, der auch als Regierungsspion tätig war, im Alter von 29 Jahren der Blasphemie und des Atheismus beschuldigt und bald darauf bei einem Streit erstochen wurde.
„Edward II.“ beschreibt eine neuzeitliche Tragödie. Das Gegeneinander von Leidenschaft und Staatsräson, Machtwillen und Menschlichkeit. Wolfgang Engel aber, der Intendant des Schauspiels Leipzig, der in den Kammerspielen des Deutschen Theaters als Gast Regie führte, ließ das Tragische in der Dramaturgie zurück. Mehr interessierte ihn – auch er hat Castorfs „Richard II.“ im Prater gesehen – offenbar der Soap-Opera-Gehalt dieser höfischen Konstellation: Wie intrigant es zugehen kann, wenn der Herrscher nicht mehr herrscht, sondern liebt. Wie dummdreist sich diese Liebe dann in der Öffentlichkeit äußert. Und wie gewalttätig es wird, wenn Volk und König sich nicht vertragen, denk mal einer an.
So vollzieht sich die unruhige Regierungszeit Edwards II. auf der Bühne der Kammerspiele in rascher Schnittfolge als Posse – zwar ohne Gesang, dafür mit allerhand Tanz. Als eine Art keltische Chorus-Line im höfischen Outfit präsentiert sich das Ensemble zu Beginn, den Titel des Stückes skandierend, als wäre man bei Brecht 'n' Rhythm. Auch im folgenden treten die Darsteller gern mit einem feurig eingesprungenen Kratzfuß auf, drehen die Füße auf dem Boden, als würden sie etwas zertreten, oder schwingen sich auf der nach allen Seiten hin aufklappbaren schwarzen Bühnenschachtel von Franz Koppendorfer herum. Ein bißchen Schwung ist nun bestimmt kein Fehler, aber dies hier wirkt alles so angeschafft. So mühsam und verzweifelt, als würde der Regisseur im Hintergrund immer rufen: „Jetzt zeigt doch, wie jung ihr seid!“
Dabei sind die Darsteller ja wirklich jung. Guntram Brattia spielt den Edward, Tom Quaas Gaveston, Ulrike Krumbiegel Edwards Frau Isabella und Daniel Morgenroth Edwards Gegenspieler Mortimer. Fast der ganze Rest wurde mit Studenten der Ernst- Busch-Schule besetzt, so daß das Juvenilitätsbegehren der Regie seltsam vage im Raume steht. Ein Rätsel.
In aller Zartheit schön ist, wie Krumbiegel und Morgenroth zu Beginn Isabellas und Mortimers Neigung zueinander nur andeuten. Der Rest ist plump und ausgewalzt, was die Studenten betrifft, teilweise hart an die Grenzen der Möglichkeiten geratend. Endlose Bewegungsszenen walzen die Zuspitzung des Konfliktes nieder, kindliche Zornausbrüche kippen die Figur des Edward. Denn so charmant Guntram Brattia zornig sein kann – er spielt damit einen König, der nur einen Wunsch hat: abdanken und mit seinem Gaveston schön an der Küste leben zu dürfen. Warum also tut er das nicht? Noch ein Rätsel.
Und nicht das letzte. Engel setzt immer wieder auf Drastik und Effekt, läßt Sterbende auf kreisender Drehbühne halbnackt brüllen und überschüttet Edward mit brauner Brühe. Aber als es darum geht, daß er von einem gedungenen Mörder als Strafe für sein Schwulsein mit einem glühenden Eisen durch den After gepfählt wird, zischt es zwar nachher, wenn das Eisen in einen Eimer Wasser gehalten wird, doch der Mord selbst geschieht hinter vorgehaltenen Laken. So verheddert sich die Inszenierung zwischen realistischen und vorzeigenden Details, haut mächtig auf die Pauke – und ist am Ende doch nur langwierig verpufft.
Wieder am 18. und 21. 2., 19.30 Uhr, Kammerspiele, Schumannstraße 13a
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen