Minnesang – geliefert wie eine Pizza

Nikolai de Treskow ist der bekannteste Minnesänger des Abendlandes. Der Berliner hat eine Minne-Hotline, kreuzt mit seiner Minneschule durch die Karibik, geht auf Gralssuche und tourt mit einem Technohit quer durch Europa  ■ Von Kirsten Küppers

„Hallo Petra! Ich bin dein Geschenk“, stellt sich der junge Mann mit Engelsfrisur, gelber Strumpfhose und geschulterter Harfe der Augenarztgattin vor. Sein gestreiftes Fahrrad ist abgestellt, der mittelalterliche Wams sitzt, und „dann minne ich los“, sagt Nikolai de Treskow.

Sein „Minnephon“ funktioniert nach dem Call-a-Pizza-Prinzip für ritterliche Liebeslyrik. Wer sein Schätzchen so richtig beglücken will, kann dies seit Ende Januar mit Liedern des Walther von der Vogelweide tun. Und muß sich dabei angenehmerweise nicht mal selbst in Mittelaltergarderobe werfen. Ein Anruf bei de Treskow genügt, schon radelt der courrier d'amour samt Harfe von seiner Wohnung im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg los und singt mittelalterliche Melodien. Wem das zu kitschig ist, kann die Liebste oder den Liebsten auch übers Telefon von de Treskow beminnen lassen. Kostenpunkt zwischen 200 und 5.000 Mark. Schließlich ist Nikolai de Treskow nicht nur irgendwer, der im Zuge der Renaissance der Mittelalterrestaurants das Wort Dienstleistung neu definieren lernt.

Seit Jahren tingelt der 30jährige de Treskow als – nach eigenen Angaben – „einziger Minnesänger Deutschlands“ durch die europäische Medienlandschaft. Der bekannteste Barde ist er bestimmt. Um der Show willen ist ihm kein Tele-Klimbim zu hanswurstig, kein Moderator zu doof. Die Latte der von ihm besungenen Damen reicht von Arabella Kiesbauer bis zur Gattin von Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher. 1995 wurde er bei einer TV-Sendung ins Guiness-Buch der Rekorde aufgenommen, weil er an einem Tag innerhalb eines Theaterstücks gleich 760 Damen beminnte. Kürzlich landete er mit seiner Technoversion der Carmina Burana einen Hit in den Dancefloor Charts. Carl Orff dreht sich derweil im Grab und so mancher Musikhistoriker gleich mit.

Dabei ist de Treskow eigentlich vom ernsten Fach. In Straßburg und Arnheim studierte er Alte Musik mit Schwerpunkt Gesangstechnik des Mittelalters. Seit seinem 14. Lebensjahr spielt er Harfe und war, wird im Pressematerial geschwärmt, während andere Kinder Fußball spielten, gewöhnlich mit dem Zupfinstrument unter dem elterlichen Kastanienbaum zu finden. Zusätzlich zu Studium und Schauspielunterricht lernte er die Instrumente Drehleier und Zister.

Doch die Schar der klassischen Mittelalterinterpreten wurde ihm schnell zu lahm. Da holte er das Liedgut lieber in moderne Zeiten, ging mit Rio Reiser on Tour und mietete eine Burg mit 28 Zimmern in Brandenburg als Sommerresidenz.

Mittlerweile empfindet sich der Sohn von Bhagwan-Anhängern, der in einem Ashram in Norditalien aufgewachsen ist, als Barde der 90er. Als solcher gondelt de Treskow, den vor 600 Jahren um die Burgen ziehenden Minnesängern gleich, von Talkrunde zu Spielshow, „um die Liebeswerbung zur Kunstform zu erheben“, wie er sagt. Männer sollen nämlich lernen, romantischer zu sein. Es gelte, den Flirt neu zu begreifen, nicht als schnödes Mittel zum Zweck, sondern, wie die mittelalterlichen Minnesänger von berufswegen, als lustbringendes Gut an sich. Die Gebrauchsanleitung lieferte de Treskow 1997 mit seinem Buch „Die Hohe Kunst der Verführung“. Peinlicherweise verließ seine Geliebte Maria ihn just bei Erscheinen des Verführungsratgebers. Doch immerhin freute sich die Bild-Zeitung.

Nikolai ließ sich nicht beirren und eröffnete in – natürlich – Rothenburg ob der Tauber die „Erste Europäische Minneschule“.

„Juhu, die Minneschule“, jubelt de Treskow, wenn er von seinen Flirtseminaren dort erzählt. Denn die Schüler – das seien ausschließlich „Managertypen“ – üben sich keineswegs im mittelalterlichen Gesang. Vielmehr lernen sie, wie man eine Frau umgarnt. Das ist zwar lieb gemeint, bricht aber die traditionelle Rollenverteilung gewiß nicht auf. Daran hat Nikolai aber auch „nie gedacht“. Macht ja nix, das Publikum bei Pro7 klatscht immer über den süßen Flauser.

Demnächst wird die Minneschule auf einem Luxusliner durch die Karibik kreuzen, quasi als „Loveboat“, juhut de Treskow. Im März präsentiert sich Nikolai dann anderenorts als verkorkster Reiseleiter. Auf der „Tour de Gral“, einer Bustour zu den Schauplätzen der Gralslegende in Südengland, will Nikolai mit Neckermann-Urlaubern spontan Bogen schießen, reiten und den persönlichen Gral suchen.

Doch davor liegt noch Kasperarbeit für die Presse. An diesem Nachmittag ist der Minnesänger bei „taff“, abends bei Spreeradio, morgen beim Frühstücksfernsehen. „Heute hat bis 10 Uhr morgens keiner angerufen. Da hab' ich mich gefragt: Hat mich denn niemand mehr lieb?!“, plaudert Nikolai zwischen andauerndem Telefongeklingel. „Nein, ich bin keine Medienhure“, schmeißt er sofort hinterher und reißt naiv die Augen auf. „Ich glaube einfach an die Idee der Minne.“ Das mag sein, wer beim Mittelalterspektakel am Brandenburger Tor auftritt, muß nicht gleich Kreide gefressen haben. Die Kommerzschiene rechnet sich freilich allemal.

Daß de Treskow ein Medien- Goldkind ist, liegt indes nicht nur an denkbar schrulligen Einfällen, seinem Kleine-Jungs-Charme und Schlafzimmerblick. Um die Konzert-, Booking- und Fanpostmaschine „De Treskow Enterprises“ kümmern sich ein ganzer Schwung von Projektleitern, Managern und die neue Freundin Katharina. So ist der Terminkalender immer proppenvoll. Neben Minneschule, Fernsehauftritt und Gralssuche plant de Treskow für April die Austellung „1001 Liebesbrief“ in den Hackeschen Höfen in Berlin. Ab Mai geht er mit seinem Techno-Schlager auf Europa-Tournee. Bis dahin brummt das Minnephon.

Minne-Hotline: 030/25391621