„Keine rechtsextreme Frontstadt“

■ Gerd Franke, Mitglied der Bündnisgrünen und Stadtverordneter in Guben, über das Klima gegenüber Ausländern in der Grenzstadt

taz: Für Offenheit und Toleranz ist die deutsch-polnische Grenzstadt Guben nicht unbedingt bekannt. Sie hatten 1995 ein Modellprojekt zwischen Deutschen und Polen vorgeschlagen. Wie haben die Gubener reagiert?

Gerd Franke: Mit Ablehnung. Meine Erfahrung war, daß die Gubener für so einen Vorschlag politisch nicht reif waren. Die große Masse hat es abgelehnt. Ich wäre ein Elefant im Porzellanladen und würde auf der Wählerseele herumtrampeln. Das waren noch die zivilsten Ausdrücke.

Worum ging es genau?

Das war ganz einfach: Der Bürgermeister unserer polnischen Nachbarstadt Gubin klagte damals, daß er tausend Wohnungssuchende hätte. Bei uns beklagten sich die Wohnungsgesellschaften, sie hätten tausend leerstehende Wohnungen. Es wäre also notwendig gewesen, daß die deutsche Seite bei der Europäischen Union beantragt, Mittel zur Verfügung zu stellen, um tausend Wohnungen abzureißen, während die polnische Seite Geld beantragt, um tausend Wohnungen bauen zu können. Da habe ich gesagt, das einfachste wäre doch, wir stellen die leerstehenden Räume im Rahmen eines Pachtvertrags der Gubiner Seite zur Verfügung.

Wie kamen Sie auf die Idee?

Ich hatte damals in der Stadtverordnetenversammlung vorgeschlagen, die Stadt Guben und Gubin zu einer europäischen Modellstadt zu entwickeln. Es ging darum, hier an der Grenze völkerverbindend und friedlich zu zeigen, daß Deutsche und Polen hervorragend zusammen leben und arbeiten können.

Worüber haben die Gubener sich aufgeregt?

Die ganzen Rahmenbedingungen würden nicht stimmen. Es hieß, wenn die Polen hier in Guben wohnten, hätten sie auch Anspruch auf einen Arbeitsplatz – und das bei 24 Prozent Arbeitslosigkeit. Außerdem könnten die Polen ja überhaupt keine 800 Mark Miete bezahlen. Wenn aber die EU dafür Unterstützung verteilt, dann wollen auch wir Wohngeld bekommen. Also, ich sag' mal, das ist mehr oder weniger Futterneid gewesen.

Welche Lehren haben Sie in bezug auf das Klima gegenüber Ausländern gezogen?

Daß man diese Sache etwas besser vorbereiten muß. Es ist nicht möglich, die Stadt mit einer solchen Situation einfach zu konfrontieren. Das müßte erst diskutiert werden auf der Dibbel-dabbel- Tour: kleine Schritte, den Boden bereiten, bevor man aussät. Das habe ich damals nicht gemacht, sondern die Saat gleich auf den Acker gestreut.

Jetzt ist hier ein junger Algerier in den Tod gehetzt worden. Manche sagen ja, wer zuschlägt, weiß sich einig mit der schweigenden Mehrheit. Sehen Sie das auch so?

Es gab ja hier nach der Wende Bestrebungen, leider Gottes auch aus den Altbundesländern, Guben zu einer rechtsradikalen Frontstadt zu entwickeln. Aber so eine direkte Auseinandersetzung, wie es sie früher gegeben hat, als sich die Autonomen und die Rechtsradikalen in Guben Schlachten lieferten, das ist unterbunden worden. Eine richtige rechtsradikale oder ausländerfeindliche Stimmung gibt es nicht.

Wie erklären Sie sich dann den Angriff auf den Algerier?

Ich möchte niemandem die Schuld zuweisen, weil das nach meinem jetzigen Erkenntnisstand falsch wäre. Interview: Patrik Schwarz