Rassistische Parolen kommen gut an

■ Ausländerfeindliche Aktivitäten haben Tradition in Guben. Brandenburg verzeichnet nur bescheidene Erfolge im Kampf gegen Rechtsextremismus

Brandenburg als neonazistisch durchsetztes Land darzustellen sei falsch, sagte gestern Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD), nachdem am Vortag fünf Jugendliche in Guben einen Algerier zu Tode gehetzt hatten. Das entspreche nicht der Realität. Sogleich zählte er die statistischen Daten seines Landes auf: 1998 habe es 308 rechtsextremistische, fremdenfeindliche und antisemitische Straftaten gegeben. Im Jahr zuvor wurden noch 569 gezählt. Eigentlich, so Stolpe, sei Brandenburg ein tolerantes Land.

Der Politiker feiert einen rechnerischen Erfolg schnell als großen Sieg. Stolpe müßte wissen, daß zumindest rechtsextreme Parolen im Land gut ankommen. Er selbst hat im Mai 98 eine Umfrage zum Thema „Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit“ beim Meinungsforschungsinstitut Forsa in Auftrag gegeben. Bei den unter 30jährigen stimmten 51 Prozent zumindest einem rechtsextremen Klischee wie „Ausländer mißbrauchen die Leistungen unseres Sozialsystems“ zu. Bei den über 60jährigen waren es 58 Prozent. Zwar lehnen 57 Prozent der Befragten rechtsradikale Tendenzen ab, doch immerhin 41 Prozent bringen „Verständnis“ dafür auf. Bei Landtagswahlen kämen die rechtsextremistischen Parteien insgesamt auf sieben Prozent der Wählerstimmen.

Der Verfassungsschutz registrierte 1998 rund 1.000 organisierte Rechtsextreme im Land. Mehr als die Hälfte davon sind in gewaltbereiten Jugendcliquen anzutreffen. Zum Beispiel in Guben. Vor drei Jahren versuchten rechte Frontmänner wie Frank Schwerdt und Christian Wendt von der verbotenen Sammlungsorganistaion Nationalen e.V., die Jugendclubs der Stadt in den Griff zu bekommen. Wegen der Inhaftierung Wendts wurde das Projekt eines „nationalen Jugendclubs“ aufgegeben. Seit 1998 zeigt vor allem die Jugendorganisation der NPD, die JN, Präsenz. Die braunen Kameraden organisieren Kameradschafts- und Liederabende.

Die ehemalige „Wilhelm-Pieck- Stadt“ Guben gilt als Braun-Town. „Die rechte Szene ist überdurchschnittlich aktiv“, konstatiert Wolfram Meyer zu Uptrup, Sprecher des Aktionsbündnisses „Tolerantes Brandenburg“. Deswegen investieren Kommunal- und Landespolitiker in die Jugendarbeit. Container wurden als Jugendtreffs aufgestellt, eine Puppenbühne ließ man bauen und organisierte Fahrten nach Polen sowie zu den KZ- Gedenkstätten. „Unsere Jugendarbeiter sind sehr engagierte Leute“, weiß Meyer zu Uptrup. Im Kampf gegen den Rechtsextremismus erzielen sie mäßige Erfolge.

Als die Bundestagsgruppe der PDS im Sommer 1998 entlang der deutsch-polnischen Grenze tourte, hörte sie von Ursula Wagschal, der Ausländerbeauftragten des Spree- Neiße-Kreises, daß es in der Grenzstadt Guben eine erhebliche Polenfeindlichkeit gebe. Rassistische und neonazistische Aktivitäten seien alltäglich.

Fast auf den Tag genau vor einem Jahr schändeten Unbekannte den jüdischen Friedhof in Guben. Sie rissen Grabsteine aus der Verankerung und beschädigten auch den kurz zuvor aufgestellten Grabstein für die Opfer des Holocaust.

In zwölf Volkshochschulen des Landes können die Brandenburger über Rechtsradikalismus diskutieren. Seit Dezember werden erstmals Abendkurse zum Thema: „Strategien zur gewaltfreien Konfliktlösung und neue Rechte“ angeboten. Annette Rogalla