Eine Wahl ist eine Wahl ist eine Wahl ...

■ Ex-Senator Ralf Fücks (Grün) antwortet auf Ex-Senator Horst-Werner Frankes (Rot) Abgesang auf Rot-Grün: Große Koalition „wird zum Alibi für die Bequemlichkeit der SPD“

„Sozis, vergeßt Rot-Grün!“ – Da wirft einer die Flinte ins Korn, bevor die Jagd begonnen hat. Die Häme, die der alte Haudegen Franke gegen die Bremer Grünen ausgießt, wird zum Alibi für die Bequemlichkeit der SPD. Weshalb einen Richtungswechsel mit den Grünen riskieren, wenn es sich mit der CDU so angenehm regiert?

Zumal die großkoalitionäre Stimmung an der Weser deutlich besser ist als die Lage. Während in Berlin alle Welt die letzten Tage der großen Koalition herbeisehnt, strahlen in Bremen die beiden Bürgermeister um die Wette. Die CDU hat sich in der Rolle des Juniorpartners eingerichtet und Henning Scherf entdeckt nach den Querelen der „Ampel“ die Wonnen des unangefochtenen Regierens. Ruhe an der Handelskammer-Front, die großen Medien staatstragend, man läßt sich die gute Stimmung nicht durch Fakten trüben.

Daß die vielbeschworene Sanierung der Staatsfinanzen nicht vorankam, vielmehr trotz Verkauf des Bremer Tafelsilbers der Schuldenberg noch vergrößert wurde – was soll's? Schließlich brauchte die schwarz-rote Koalition die Bonner Sanierungsmilliarden, um nach der Vulkan-Pleite einen Schein-Boom zu finanzieren: ein defizitäres, mit Staatsknete hochgepäppeltes und mit öffentlichen Bürgschaften rückversichertes Retortenprojekt nach dem anderen.

Glauben Haller, Perschau und Hattig (Wirtschaftsstaatsrat, Finanzsenator und Wirtschaftssenator, d. Red.) noch an die proklamierte „Rettung von Bremens Selbständigkeit“, oder geht es in Wirklichkeit nicht längst darum, die Stadt Bremen in einem Anfall von Torschlußpanik aufzurüsten für die Standortkonkurrenz im Norden und anschließend die aufgehäuften Schulden mit dem Bundesland Bremen untergehen zu lassen? Selbst ein zukunftsträchtiges Projekt wie die „Internationale Universität Bremen“, das Bremen als überregionalen Bildungs-Standort stärken könnte, scheint finanziell bisher ausschließlich am Senatstropf zu hängen – kein gutes Beispiel für „public private partner-ship“. Ganz zu schweigen von der irren Gewerbeflächenpolitik dieser Koalition, die mit dreistelligen Millionensubventionen den Großmarkt vom Flughafen in den Überseehafen verlagert, wo er als Sperrriegel gegen die Umwidmung der alten Hafenreviere zu einem maritimen Stadtteil wirkt.

Wen in der SPD stört es noch, daß unter der Großen Koalition mit dem Rechts-Populisten Borttscheller (Innensenator, d. Red.) eine „Ausländer“-Politik á la Stoiber eingerissen ist? Scherf hat in zwei Fragen den Konflikt mit der CDU durchgehalten: bei der Wehrmachts-Ausstellung und beim „Großen Lauschangriff“. Aber im Umgang mit Flüchtlingen und Asylbewerbern hat die schwarz-rote Koalition die liberale Tradition Bremens über Bord geworfen. Weiter so?

Wohl wahr, daß mit Kritik allein keine Wahlen zu gewinnen sind. Wer in Bremen eine Regierungsalternative bilden will, muß sich den zentralen Fragen des Sanierungsprogramms stellen: Sparen und Investieren. Mit Klientelpolitik alleine ist kein Blumentopf zu gewinnen.

Beispiel Bildung: Die bauliche Sanierung, technische Modernisierung und personelle Auffrischung der Schulen könnte ein rot-grüner Treffpunkt sein. Aber nicht alle Betreuungsaufgaben müssen künftig von LehrerInnen wahrgenommen werden, und wer den Reformeifer an den Schulen fördern will, sollte vor größerer Vielfalt und mehr Wettbewerb nicht zurückscheuen. Umgekehrt muß die Bildungsbürokratie abgespeckt, die pädagogische wie finanzielle Autonomie der Schulen gestärkt werden. Das schließt einen sozialen Chancenausgleich zwischen Schulen in Gröpelingen und Schwachhausen nicht aus, ganz im Gegenteil – er ist die Bedingung für fairen Wettbewerb.

Mit der Bürgerschaftswahl wird auch die Frage neu beantwortet, was als „Zukunftsinvestition“ gilt. Wirtschaftsförderung für private Bildungsinvestitionen – Hochschulen, Weiterbildungs-Akademien, Internate oder Forschungseinrichtungen – ist allemal besser angelegt als die Millionen, die für die Betonierung der Wesermarsch oder den Ausbau des Ihlpohler Kreisels verbuddelt werden. Bildungsoffensive, Stadt am Fluß, ein Stadtklima der Liberalität und Toleranz, Förderung von Eigeninitiative und Bürgerbeteiligung, Bremen als Anziehungspunkt für ExistenzgründerInnen, eine experimentierfreudige, an Dänemark und Holland orientierte Arbeitspolitik – das sind zentrale Themen für die kommende Wahl. Ihr Ausgang ist trotz aller Unkenrufe offen. Wer den Wechsel will, muß grün wählen.

Ralf Fücks, Bremer Ex-Senator, z.Zt. Vorstand der Heinrich Böll Stiftung in Berlin