: Aufruhr in der Zeit-Maschine
■ Fluglärmgegner befürchten, daß Bremen im Sommer bis tief in die Nacht hinein angeflogen wird / Dementies aus den Behörden widersprüchlich / Angeblich sind Zeitverwechslungen schuld
„Fünf Uhr fünfunddreißig Bremen – Palma de Mallorca, ja, so steht's hier auf dem Bildschirm.“ Na, denn man schönen Urlaub. Die Dame vom Reisebüro wundert sich nicht über die nachtschlafende Abflugzeit der Touri-Condor, die für den nächsten Sommer an jedem Mittwoch auf ihrem Flugplan steht. Bremens Fluglärm-Gegner aber schlagen Alarm. Denn 5.35 Uhr, da ist schlafen angesagt in Habenhausen oder Stuhr. Und Ab-nach-Mallorca ist total verboten, genau wie übrigens auch der Nachtflug der Condor um 22.50 Uhr.
Monika Morschel mit ihrer Bremer Vereinigung zum Schutz Fluglärmgeschädigter (VSF) protestiert dagegen. Zwischen 22.30 Uhr und 6.00 Uhr morgens nämlich hat in Bremens Lüften Nachtruhe zu herrschen. Nun hat die VSF Briefe geschrieben: an die Kommission zur Abwehr von Fluglärm am Bremer Flughafen zum Beispiel oder die Senatorin für Gesundheit, Christine Wischer (SPD), und ihren sozialdemokratischen Kollegen, Flughäfensenator Uwe Beckmeyer. Und fordert „die Gewährleistung einer mindestens achtstündigen Nachtruhezeit“. Aber Frau Morschel ist in diesen Kreisen bekannt: „Frau Morschel weiß ganz genau, daß das nicht stimmt“, sagt zum Beispiel Rüdiger Müller, der Vorsitzende der Fluglärm-Kommission. Vom Fluglärmschutz-Beauftragten aus der Gesundheitsbehörde, Daglef Schriever, heißt es denn auch beruhigend: Es gehe hier um die vorläufigen Sommerpläne, die noch, wie international üblich, nach UTC (Greenwich)-Zeitrechnung notiert seien. „Ein Fehldruck“, so Rüdiger Müller: „Hängen Sie eine Stunde dran, dann sind Sie bei 6.35 Uhr. Frau Morschel versucht einfach Stimmung in der Bevölkerung zu machen.“ Gern möchte man den Fachleuten glauben, wenn da nur nicht der Nachtflug um 22.50 Uhr wäre: Sollte der etwa auch Greenwich-Zeit sein und sogar erst um 23.50 Uhr deutscher Sommerzeit runtergehen? Gott bewahre! Dettmar Dencker von der Luftfahrtgenehmigungsbehörde widerspricht denn auch seinem Kollegen vom Gesundheitsressort. Nein, mit Zeitverschiebung könne die Angelegenheit nichts zu tun haben, so der engagierte „Häfen“-Mitarbeiter: „Ich weiß nicht, woher das kommt, aber wenn da was dran ist, würde ich dazwischenhauen.“
Woher das kommt, meint die Frau vom Bremer Reisebüro hingegen schon zu wissen: „Das sind die Pläne der Firma Condor“ – und gern bestätigt sie: „Kunden, die jetzt bei uns für den 28. April nach Palma de Mallorca buchen, bekommen als Abflugzeit fünf Uhr fünfunddreißig gesagt.“
Ja, was denn nun? Monika Morschel aus Habenhausen, die erste Vorsitzende der Flugverkehrsgeschädigten, weiß was: Weiterprotestieren! „Wir interpretieren das als schleichenden Versuch, die Nachtzeiten auszuhebeln.“ Schon längst sei die einstige Nachtruhe von 22.00 bis 7.00 Uhr untergraben. Die Touristenflieger kämen unter dem Deckmantel der Leisefliegerei auch noch eine Stunde später runter – „aber wenn die von Las Palmas kommen, vollgeknallt mit Leuten und Koffern, dann sind die auch nicht leiser als die alten Flugzeuge.“ Hinzu käme das Postflugzeug mitten in der Nacht. Daß es hier ein Problem gibt, bestätigen Flughafengesellschaft und Luftfahrtgenehmigung. Die Lufthansamaschine mit der Post geht frühestens um 23.15 Uhr raus – um 2 Uhr morgens kommt sie zurück. Das darf sie zwar – „aber nötig wär das nicht, daß sie so spät abfliegt“, sagt Dettmar Dencker. ritz
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