Große Wundertüten

■ Charles Manson schrumpft im Hauptwaschgang. Kleines Drama um große Dinger. Tamara Jenkins Film "Hauptsache Beverly Hills"

„Steak, hey Leute, wollt ihr Steak zum Frühstück?“ Klar wollen die Autoinsassen erst mal richtig mit Papa in den Tag reinessen. Denn Familie Abramowitz ist gerade mal wieder auf Wohnungssuche in Beverly Hills. Als sei ein Feuer ausgebrochen, hatte Alleinerzieher Murray (Alan Arkin) seine drei Kinder hektisch mitten in der Nacht in seine Limousine verfrachtet. Es brennt aber nicht.

Möbel sind für Papa Blei am biographischen Bein, und so muß den Kids ein Teddy oder die angebrochene Cola als Andenken reichen. „Nomaden sind wir“, scheint dieser Umzugsverein fröhlich zu singen, wenn der große dem kleinen Bruder die Namen der Stars nennt, an deren Villen man gerade vorbeischnurrt. Aber genauso, wie wir schon jetzt ahnen, daß Murray die Steaks nur auf Kredit bezahlen wird, wissen wir, daß diese Familie zwar das Territorium der Superreichen durchstreifen darf, der Mythos des American Dream für Murray jedoch längst eine Postkartenidylle ist, zu der er vielleicht einmal den Schlüssel hatte – nur irgendwer hat dann nachts heimlich die Schlösser ausgetauscht.

Nicht für die Schule lernen wir, sagte man in den Siebzigern, und „Slums of Beverly Hills“ spielt in den Siebzigern.

Murray, der Mann, der keinen Möbelwagen neben seiner (vom Bruder finanzierten) Limousine braucht, paukt seinen Sprößlingen etwas Ähnliches ein: „Möbel läßt man zurück, eure Ausbildung nehmt ihr mit.“ Deshalb packen sie ihre siebeneinhalb Sachen in die neue Bleibe „Casa Bella“. Die sieht zwar nicht danach aus, gehört aber trotz ihres angeschmuddelten Stardusts postalisch zu Beverly Hills. Und damit können seine Kids wenigstens mit den Schauspieler- und Popstarkindern die Schule teilen – denkt Murray.

Dieses fein austarierte soziale Setting dient Regisseurin Tamara Jenkins in ihrem stilsicheren Erstling, dessen Buch sie selbst am Sundance-Filminstitut entwickelte, durchaus nicht nur als Parabel auf die in den USA so enorm wichtige territoriale Zuordnung sozialer Zugehörigkeit.

Jenkins erzählt vor allem die Geschichte der pubertierenden Vivian (Natasha Lyonne). Und die hat ein Problem (oder man könnte auch sagen zwei): Ihre Brüste werden jeden Tag größer. Das kleine Drama mit den großen Dingern wächst sich für Vivian zu einer echten Katastrophe aus. Zuerst fordert Paps sie auf, einen Bra über ihre Wundertüten zu stülpen, als sie ein buntes Top (Seventies!) trägt, unter dem ein BH eben absolut keinen Platz mehr findet. Paps muß es ja wissen – es geht immerhin um die Verteidigung der Reste seiner männlichen Autorität – und Vivian zieht tatsächlich dieses C-Cup-Teil drunter. Nun wird sie erst wirklich zum Blickfang und Gespött der andern.

In der nächsten Bleibe nach der Casa Bella lernt Vivian gleich beim Einzug den hübschen Potthändler des Hauses kennen. „Braucht Ihr was?“ fragt Eliot (Kevin Corrigan) die Neuankömmlinge, die aber stehen wegen der dauernden Umzüge schon ohne Drogen unter Strom. „Aber wer ist der Typ auf ihrem T-Shirt“, möchte Paps gern von dem jungen Wohnungsnachbarn wissen. Denn der trägt Tag für Tag das Gesicht des damals gerade recht hippen „Massenmörders“ Charles Manson spazieren.

Für Vivian ist der harmlose Eliot vor allem als Testperson und Teilzeitlover von Interesse. Als die beiden sich in der Waschküche des Blocks treffen, kommt es zum großen Busenersteinsatz. Im Sinne Bill Clintons ist das durchaus kein Sex, den die Teens hier haben. Aber die langlockige Vivian, die immer so gräßliche weiße Tennissocken mit roten und blauen Streifen trägt, kann Eliot immerhin damit schocken, daß sie zuerst ihren Wollpulli hochzieht, als solle der auch noch in die Waschmaschine, auf der sie hockt, und dann fragt: „Willst Du SIE mal berühren?“

Und dann ist noch die völlig überdrehte Cousine Rita (Marisa Tomei), die gerade aus der Drogenrehabilitation kommt, mit von der Partie. Die gibt der kleinen großen Abramowitz die Adresse eines Chirurgen. Und dann bekommen wir Angst vor dem Messer. Dieser Kerl malt Vivian mit einem Stift die Umrisse ihres neuen, kleineren Busens auf den Körper. Mit dieser Umrandung lächeln uns ihre Brüste an – wird sie uns dieses Lächeln tatsächlich in Zukunft vorenthalten?! Sehen Sie noch heute die Slums von Beverly Hills!

Am Schluß sitzt die Familie wieder in ihrem Auto, frustriert wegen zunehmender Geldprobleme. Diesmal müssen die Kids den Vater aufmuntern. Trotz der verzweifelten Lage: Im Lieblingsdiner gibt's Frühstück. Mit Steaks. Andreas Becker

„Hauptsache Beverly Hills“. Buch und Regie: Tamara Jenkins. Mit Alan Arkin, Natasha Lyonne, Marisa Tomei u.a. USA 1998, 91 Min.