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Saddam läßt in Ankara anklopfen

Der Türkei-Besuch des irakischen Vizepremiers Tarik Asis bereitet der US-Regierung Sorgen. Von Ostanatolien starten US-Flieger zu ihren Irak-Patrouillen  ■ Aus Istanbul Jürgen Gottschlich

„Warum jetzt? Warum wird der engste Vertraute Saddam Husseins ausgerechnet jetzt nach Ankara eingeladen?“ Jack Rubin, Sprecher des US-Außenministeriums machte aus der Verärgerung der US-Regierung keinen Hehl. Auch die offizielle Antwort aus Ankara dürfte in Washington niemanden glücklich machen. „Die irakische Regierung habe angefragt, und daraufhin sei Herr Asis eben eingeladen worden. Wir sind schließlich Nachbarn“, erläuterte der türkische Außenminister Ismael Cem den gestrigen Trip des irakischen Vizepremiers Tarik Asis in die Türkei. „Unsere Beziehungen zu den USA sind dadurch nicht tangiert. Auch die amerikanischen und britischen Kontrollflüge über dem Nordirak, von der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik aus, werden nicht gestoppt.“

Genau das hatte Asis zuvor als Ziel seiner Reise angegeben. Während Iraks Revolutionsrat am Sonntag Kuwait und Saudi-Arabien mit Vergeltungsschlägen drohte, falls sie den USA und Großbritannien weiterhin ihre Flughäfen für Angriffe auf den Irak zur Verfügung stellen, wollte Asis „die türkischen Nachbarn“ überzeugen, Incirlik für Kontrollflüge über dem Irak zu sperren. Doch statt dessen bombardierten gestern von dort gestartete US- Flieger irakische Flugabwehrstationen, die sie unter Feuer genommen hatten. Laut irakischen Angaben starben dabei fünf Menschen.

Asis war am Sonntag wegen des Flugverbots per Autokolonne durch den von Kurden kontrollierten Nordirak zum Grenzübergang Habur gekommen. Obwohl die türkische Regierung offiziell die Benutzung Incirliks für die Alliierten nicht einschränken will, hat Regierungschef Bülent Ecevit in der Vergangenheit deutlich gemacht, daß ihm die US-Politik gegenüber dem Irak nicht paßt.

„Die USA und die Türkei haben im Irak unterschiedliche Ziele“, sagte Außenminister Cem gestern. Die türkische Regierung beklagt seit langem, daß das Irak- Embargo für sie seit dem Golfkrieg Exportausfälle in Milliardenhöhe bedeutet.

Wichtiger noch ist aber die Kurdenfrage. Während die USA die irakischen Kurden als Speerspitze gegen Saddam Hussein nutzen wollen, ist man in Ankara daran interessiert, daß die Bagdader Zentralregierung ihre Kurden wieder unter Kontrolle bekommt. Ein Kurdenstaat im Nordirak wäre aus Sicht Ankaras ein potentieller Unruheherd. Zusätzlich berichtete die türkische Zeitung Cumhuriyet am Wochenende, Saddam Hussein habe der PKK erlaubt, in der Nähe Bagdads ein neues Lager einzurichten, in dem sich bereits 5.000 Kämpfer aufhalten sollen. Hinter der Fassade wird es bei Asis' Besuch in Ankara wohl um einen Deal darüber gehen.

Und noch ein weiteres Thema dürfte der irakische Vizepremier in Ankara ansprechen: Türkische Nahostexperten haben darauf hingewiesen, daß der Wechsel auf dem Haschemiten-Thron in Jordanien für das irakische Regime zum Problem werden könnte. Der junge König Abdallah stehe weit mehr als sein verstorbener Vater unter britischem Einfluß. Auf Druck aus London könnte er geneigt sein, die Nachschubwege aus Jordanien in den Irak zu sperren. Dann wäre Iraks Führung dringend auf türkisches Entgegenkommen angewiesen.

Neben einer möglichen Übereinkunft mit Saddam Hussein will Ecevit aber auch erreichen, daß die USA ihre Irak-Politik enger mit ihrem Verbündeten absprechen und türkische Interessen stärker berücksichtigen. Als Präsident Bill Clinton Anfang des Jahres den zweiten Mann der US-Botschaft in Ankara, Frank Ricciardone, zum Koordinator des „Stürzt Saddam“- Programms ernannte, protestierte die Türkei heftig. Irak hat inzwischen einen neuen Botschafter nach Ankara geschickt. Laut US- Angaben ist er ein hoher Geimdienstmann mit persönlichen Kontakten zu dem in Afghanistan untergetauchten Islamistenführer Ussama Bin Laden.

Kommentar Seite 12

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