Wir brauchen radikale Standpunktlosigkeit –betr.: „Cohn-Bendit: Stur geradeaus ist nicht der grüne Weg“, „Was tun?“, taz vom 12. 2. 99

Der Altrevolutionär Dany weiß es wieder einmal genau: die totale Flexibilität ist gefordert. Prinzipientreue ist out. [...] Irgendeinen Wind wird es schon geben, nach dem man sein Fähnchen richten kann. Gut paßt man dabei zum Bundeskanzler – der spekulierte schon vor der Wahl jede Woche über eine andere Koalition, haute in der Bild-Zeitung auf die nationalpopulistische Pauke, um beim Wiener Opernball den treuen Lakaien von Herrn Piäch zu mimen. Immerhin gab es dann auch nach der Bundestagswahl viele Fassungen von 630-Mark-Jobs und einige Vertragsbrüche gegenüber den Grünen. Daß sie sich das gefallen lassen, läßt schon auf ein gewisses Abfärben Schröderscher Charakterzüge schließen.

Dany, du paßt zu ihm – gehe ins Bundeskanzleramt, ersetze den korruptionsverdächtigen Hombach, verzichte auf jedes Prinzip! Wenn die Braunen hochkommen, leiste keinen Widerstand – im Prinzip wollen sie auch das Gute – zudem sind sie Opfer der Gesellschaft –, wir brauchen radikale Standpunktlosigkeit! Christian Schauer, Alzenau

Mit Verlaub, wo ist eigentlich angesichts 40prozentiger Stimmenverluste der hessischste Grüne aller Zeiten, Super-Realo und Staatsmann Joschka, pardon, Josef Fischer abgeblieben? Von ihm war in dieser Woche zum Hessen-Desaster nichts zu sehen und zu hören. Dabei trägt Fischer maßgebliche Verantwortung für den enormen Einbruch der Grünen. Er hat die Partei dazu gebracht, für die Teilhabe an der Macht nahezu alle inhaltlichen Ansprüche und damit gleichermaßen Glaubwürdigkeit und Durchsetzungsfähigkeit aufzugeben. Fischer hat einen Großteil davon auf dem Altar seines unbändigen Politiknarzißmus geopfert. Erst in seinem Schlagschatten konnten Politiker wie Roland Appel und Reiner Priggen die NRW-Grünen auf zuletzt geschätzte fünf Prozent halbieren.

Daniel Cohn-Bendit, Uralt-Mitglied der Fischer-Gang, schlägt jetzt angesichts dieser katastrophalen Situation offen eine Umorientierung der Grünen in Richtung FDP vor und verlangt nach politischer Leidenschaft. Dazu fällt mir in Anlehnung an den frühen Fischer nur ein: mit Verlaub, Daniel, du kannst mich mal! Tarik Tell, Bonn

Lieber Dany / Cher Dany, du gehörtest zu den Leitfiguren unserer Generation / Tu as eté parmis les figures de proue de notre generation / in Frankreich wie in Deutschland / en France comme en Allemagne. Wie kannst du dich als perfekt Binationaler / Comment peux-tu, tant parfaitement binational toi-même, / so feige zur Doppelstaatlichkeit äußern / adopter une position aussi láche par rapport la double nationalitée? / Gibt es keinen aufrechten Gang mehr gegen rechts / N'y a-t-il plus de droiture en face de la droite? Klaus Kowatsch, Annick Trellu, Berlin