Wahlkampf mobil

■ Italiens Parteien vertrauen beim Stimmenfang auf die Symbolkraft der Fortbewegung

Rom (taz) – Im Land der Zitronenblüte muß so ziemlich alles, was zu tun ist, erst einmal symbolisch begriffen werden: Auf den Wahlzetteln sind die Parteien mit Blumenpiktogrammen gekennzeichnet, Ferrari wird nach dem Symbol auf dem Firmenemblem „cavallino rampante“ (aufbäumendes Pferdchen) genannt und Frauen nach ihrer Bedeutung fürs Land (Gina Lollobrigida ist „Gina nazionale“).

Daß im Wahlkampf sogar das Fortbewegungsmittel Symbolkraft erlangt, versteht sich da von selbst. Romano Prodi überflügelte bei den letzten Wahlen den Jet-set- Rechten und Medientycoon Silvio Berlusconi unter anderem dadurch, daß er per eigens geleastem Autobus hundert Städte besuchte.

Nun naht die Europawahl, und was vor drei Jahren bei den nationalen Urnengängen half, muß auch diesmal herhalten. Allerdings wollen nicht alle per Bus antreten. Prodi ist für seine soeben gegründete linksliberale Partei auf den Zug umgestiegen und will per „treno speciale“ Stimmen fangen und gleichzeitig Sympathien für das krisengeschüttelte Transportunternehmen Soldi gewinnen.

In einem Campingbus folgt ihm der Polit-Quereinsteiger und ehemalige Staatsanwalt Antonio di Pietro – um noch mehr Bescheidenheit als Prodi zu zeigen. Die Linksdemokraten, seit jeher sowohl notorisch geizig wie phantasielos und verärgert über die Fahnenflucht ihres Stars Prodi, haben sich den alten „Pulman“ Prodis gegriffen und wollen mit ihm noch einmal durch die Gegend gurken.

Bei so vielen Gags mußten sich die anderen auch etwas Originelles einfallen lassen. Sie kamen auf – andere Fortbewegungsmittel. Der Chef der Volkspartei, Franco Marini, will sich per pedes aufmachen und den Bürgern erklären, daß nur, wer gut zu Fuß ist, auch gute Politik machen kann. Clemente Mastella, Sekretär der Demokratischen Union, die seit einem Vierteljahr ebenfalls in der Regierung sitzt, möchte gar auf einem Esel in die Städte einziehen. Er sieht sich nicht als Jünger des Herrn, der das vor zweitausend Jahren in Jerusalem getan hat (mit dem bekannten bitteren Ende), sondern meint, „der Asino springt weder aus den Gleisen, noch verschmutzt er die Luft“. Daß er statt dessen ab und zu stehenbleibt – was soll's. Hauptsache, man ist dabei im Konzert der Bewegungsfetischisten.

Alt sieht da natürlich die Rechtsopposition aus. Mit Glamour, mit dem er vor fünf Jahren die Wahl gewann, traut sich Silvio Berlusconi nicht mehr anzutreten – in Zeiten der von ihm selbst ständig beschworenen Austerity kommt das nicht so gut an. Mit dem Fahrrad vielleicht? In Politikerkreisen gilt Romano Prodi als ausgemachtes Pedaler-As und würde seinen Konkurrenten wohl auch bald zu einer Tour d'Italia herausfordern. Mit Stelzen? Wäre eine nette Überhöhung, aber andererseits: wer hilft ihm da hinauf?

Vielleicht entschließt er sich am Ende zur Vorwärtsverteidigung, braust per Autotroß durch Italien und klebt sich den Wahlspruch auf die Tür: „Trau keinem unter 300 PS“. Werner Raith