Industrie genmanipuliert die Politik

■ Britische Verbraucher trauen der Gentechnik nicht. Macht nix, denn die Industrie stellt einen Staatssekretär und ist mit Labour sehr vertraut

Dublin (taz) – Kaum ist etwas Ruhe bei der britischen Labour Party eingekehrt, da gibt es neuen Ärger. Diesmal geht es um Gentech-Food. Die Stellungnahme von 23 Wissenschaftlern aus 13 Ländern, die vorige Woche vor Gesundheitsschäden durch genmanipulierte Lebensmittel warnten (siehe taz vom 13. 2.), hat die Partei tief gespalten.

Die Regierung hat bisher einen herzlichen Umgang mit der Biotech-Industrie gepflegt: Seit ihrem Amtsantritt vor 22 Monaten gab es 81 Treffen zwischen Industriellen und Ministern oder Regierungsbeamten. Die Regierung hat Biotech- Firmen wie Monsanto Millionenbeträge angeboten, um in Großbritannien zu expandieren. Monsanto wird allerdings heute vor einem Gericht wegen Verstoßes gegen Umweltgesetze verurteilt.

Das Unternehmen hatte auf einer Versuchsfarm für genmanipulierten Mais die Kontrollen abgebaut, die das Ausbreiten der Pollen auf benachbarte Felder verhindern sollten. In den nächsten zwei Jahren muß die Ernte in einem Umkreis von 50 Metern um das Monsanto-Feld vernichtet werden. Monsanto wird vermutlich 20.000 Pfund (knapp 57.000 Mark) Strafe zahlen müssen. Für die Medienarbeit bei Monsanto ist David Hill verantwortlich – bis vor einem Jahr hatte er den Job bei der Labour Party. Der Staatssekretär für Lebensmittelsicherheit, Jeff Rooker, warnte Monsanto, daß derartige Fehler die Verbraucher verunsicherten und sich als Eigentor herausstellen könnten, wenn nämlich die Produkte boykottiert würden. Freilich geht es der britischen Regierung weniger um Verbraucherschutz als um den Schutz der wachsenden britischen Gentech-Food- Industrie: Man werde sich keinesfalls dem Druck von Umweltschutzgruppen und Medien beugen und Biotech-Versuche stoppen, hieß es: „Die Regierung läßt sich durch diese Panik nicht zu einer Wende zwingen. Wir müssen statt dessen unsere Botschaft verständlich machen.“

Doch die Botschaft ist widersprüchlich. Umweltstaatssekretär Michael Meacher sagte am Montag, daß die Regierung über Gentech-Food „noch mal nachdenken und eventuell das Moratorium für den kommerziellen Anbau verlängern“ müsse. Jack Cunningham, der im Kabinett als „Enforcer“ beschäftigt ist, weil er Premierminister Tony Blairs Politik durchsetzen soll, sagte, das in Großbritannien verkaufte Gentech-Food sei unbedenklich: „Bloß weil es irgendeinen Disput über ein paar Laborexperimente gegeben hat, stoppen wir doch nicht unsere Genfood-Technik und Forschung.“

Cunningham behauptet, daß im Land lediglich drei Gentech- Food-Produkte verkauft würden. Die Organisation Genewatch bestreitet das. Die Direktorin Sue Mayer erklärte, daß Enzyme von genetisch manipulierten Mikroorganismen zu 90 Prozent in verarbeiteten Lebensmitteln enthalten sein können, darunter auch Limonade und Brot. Zwölf dieser Enzyme seien für die Verwendung zugelassen, müßten aber nicht deklariert sein.

Einige Labour-Hinterbänkler forderten schon eine unabhängige Ethikkommission, die Gentech- Experimente überwachen oder verbieten und Gesetzesvorschläge machen soll, um das angeschlagene Vertrauen der Verbraucher wiederherzustellen. Der zuständige Staatssekretär im Ministerium für Handel und Industrie ist Lord David Sainsbury. Ihm gehören Anteile im Wert von einer Milliarde Pfund an der Supermarktkette „Sainsbury's“, deren Aufsichtsratsvorsitzender er vor seinem Eintritt in die Politik war. Das Unternehmen hat Millionen in die Entwicklung von genmanipulierten Lebensmitteln investiert. Darüber hinaus hat David Sainsbury die Gatsby-Stiftung gegründet, die 18 Millionen Pfund für Biotech-Forschungen bereitgestellt hat.

Als er zum Staatssekretär ernannt wurde, freute sich der Lord. „Das bringt die verschiedenen Interessenbereiche meines Lebens auf wunderbare Weise zusammen: mein Interesse an der Wissenschaft, meine Geschäftsinteressen und mein Interesse an der Politik.“ Demnächst können seine Supermärkte auch noch für die Forschung arbeiten: Die Loyalitätskarten, die treue Kunden mit Bonuspunkten belohnen, speichern die Einkaufsliste der Inhaber. Die Daten werden den Gesundheitsämtern zugänglich gemacht: Die sollen feststellen, ob Menschen, die viel Gentech-Food zu sich nehmen, Folgen davontragen. Ralf Sotscheck