Sturzflug auf die Medien

Ausdauer mitbringen: In der Kunsthalle wird der „Video Club 99“ eröffnet, der verschiedene Seiten des Genres beleuchtet  ■ Von Britta Peters

Willkommen im Club.“ Ungewöhnlich salopp formuliert die Kunsthalle ihre Einladung zum „Video Club 99“, einer Veranstaltungsreihe mit Videos von Künstlern und Videos über Künstler. Auch der Sponsor Nicotinell Kaugummi verwundert auf den ersten Blick. Was hat Raucherentwöhnung mit Kunst zu tun? Die Antwort ist einfach und pragmatisch. Bei den jeweils sechs Stunden dauernden Video-Nachmittagen in den heiligen Hallen mußte auch für die interessierten Raucher eine akzeptable Lösung gefunden werden.

„Wenn jemand sich da stundenlang hinsetzt, hat er eine richtige Erfahrung gemacht“, begründet Mitinitiator Frank Barth die Länge der einzelnen Veranstaltungsblocks. Videokunst sei immer ein Genre gewesen, das Ausdauer und Anstrengung erfordert. Eine Art „Exerzitien“ – die immerhin durch bequeme Sitzbänke erleichtert werden. Alle Videos sind als Großbildprojektion und auf mehreren Monitoren zu sehen, weil in den frühen Arbeiten auch oft das Kasten- oder Bühnenmotiv des Fernsehers eine Rolle spielt. Zwei kürzlich angekaufte Installationen, Dial H-I-S-T-O-R-Y von Johan Grimonperez und Stasi City von den Zwillingsschwestern Jane und Louise Wilson, lieferten den Anlaß, die seit Anfang der Neunziger bestehende umfangreiche Bildbänder-Sammlung der Kunsthalle neu zu sichten.

Der zweite Strang der Veranstaltung, die „Videos über Künstler“, wurde von der Journalistin Victoria von Flemming ergänzend zusammengestellt. Der Blick der Fernsehleute und Dokumentaristen spiegelt die jeweils zeitgenössische Rezep-tion und vervollständigt den ersten Teil der Reihe durch Informationen zu den Künstlern.

Flugzeugentführungen sind der rote Faden des größtenteils aus vorgefundenem Material montierten Videofilms von Grimonperez. Die Bildspur wird durch eine fiktive, von Don DeLillo inspirierte Erzählung auf der Tonspur überlagert. Beides verdichtet sich zu einer virtuosen Kritik der realitätsstiftenden Rolle der Medien, die auch für die Wahl des ersten Themas, „Videos und Mediengesellschaft“, ausschlaggebend war.

Neben vielen anderen Schätzen wird in diesem Zusammenhang auch MediaBurn von AntFarm gezeigt, eine Dokumentation über den 1975 von US-Videoaktivisten speziell für die Presse inszenierten Durchbruch eines 1959er Cadillacs durch eine gigantische Pyramide aus brennenden Monitoren. Ein weiterer Schwerpunkt ist „Video und Performance“ – ein Thema, zu dem man vermutlich ohne weiteres ein einwöchiges Nonstop-Programm zusammenstellen könnte. Abgesehen davon, daß Video ein wichtiges Medium zur Dokumentation von Performances und Happenings darstellt, ist es oft auch Bestandteil des Aufbaus. Close-Circuit-Sets, die simultane Wiedergabe eines Bildes, waren von Anfang an ein beliebtes Mittel, um die Rolle des Künstlers und des Publikums zu befragen. Neben Altmeister Bruce Nauman stehen zu diesem Thema Arbeiten von Christian Boltanski, Valie Export und Ulrike Rosenbach auf dem Programm. Nach soviel Geschichte sind im März die Positionen jüngerer Künstler zu sehen. Für die ist das existentielle Leiden anscheinend nicht mehr so wichtig – „Video und Lebensart“ lautet der Titel der Veranstaltung.

„Video und Mediengesellschaft“: Sa, 12 bis 18 Uhr. „Video und Performance-Künste“: So, 12 bis 18 Uhr