Stimmungmache Rumaroma

■ Gerhardt Augst, Urheber der Rechtschreibreform, ärgert sich über Halbwahrheiten der Gegner. Und, daß logisches Denken bei der deutschen Sprache nicht weiterhilft

Elf Jahre alt war Gerhardt Augst, als ihn das Diktat für die Aufnahmeprüfung des Gymnasiums vor ungeahnte Schwierigkeiten stellte. „Zigarre“ mit doppeltem „r“, dachte sich der Schüler. Also muß auch die kleine Zigarre, die Zigarrette, mit „Doppel-r“ geschrieben werden. Er irrte. Als Augst das Diktat zurückbekam, war der Fehler rot angestrichen. Er hatte die Aufnahmeprüfung zwar bestanden, war aber um eine bittere Erfahrung reicher: „Logisches Denken hilft bei der deutschen Sprache manchmal nicht weiter.“

Inzwischen ist Gerhardt Augst Professor für deutsche Sprache an der Universität Siegen, Vorsitzender der Zwischenstaatlichen Rechtschreibkommission und einer der Urheber der Rechtschreibreform. Gestern war er in Bremen, um Argumente für die Rechtschreibreform zu liefern. Daß das Bundesverfassungsgericht die Reform inzwischen für rechtens erklärt hat, läßt ihn nicht ruhen. Die Bürgerini-tiative „Wir gegen die Rechtschreibreform“ sammelt in Bremen Unterschriften, um ein Volksbegehren durchzusetzen. Die Reformgegner erzählten nur die „halbe Wahrheit“, klagt der Professor. „Und halbe Wahrheit heißt auch die halbe Unwahrheit.“ Die Silbentrennung sei so ein Beispiel. „Rum-aroma“ wird nach Angaben der Rechtschreibgegner „Ruma-roma“ getrennt, aus Ur-Oma wird angeblich „Uro-ma“. „Da stehen einem natürlich wirklich die Haare zu Berge“, gibt Augst zu. Zwar dürfe in Zukunft „A-bend“ hinter dem Anfangsbuchstaben abgetrennt werden. Aber: „Die Reform sagt ausdrücklich, daß eine Silbentrennung, die sinnentstellend ist, nicht erwünscht ist.“ Also: Das Rumaroma bleibt Rum-aroma und wird nicht zu Ruma-roma. Für Augst sind die Beispiele der Gegner „Kalauer“ die der „Stimmungmache“ dienen sollen. Auch nach den alten Regeln sei sinnentstellend getrennt worden. Aus einem Minister wurde ein „Mini-ster“ und aus dem Teenie ein „Tee-nie“ (Tee? Nie!).

Das gelte auch für Kommaregeln. „Er besucht seine Tochter und seine Mutter...war auch gekommen.“ (Achtung, Herr Korrektor, bitte kein Komma einsetzen, das ist der Satz, mit dem die Rechtschreibgegner gegen die Reform zu Felde ziehen. Danke.) Augst: „Hier sollte man ein stilistisches Komma setzen, damit der Sinn klar ist.“ Nur bei der Frage, warum die Kommission das „ß“ nicht abgeschafft hat, wird Augsts Argumentation dünn. „Wir wollten keinen Buchstaben abschaffen, den es seit 400 bis 500 Jahren gibt“, sagt er.

Die neuen Rechtschreibregeln seien außerdem nur für Behörden und Schulen verbindlich. Privatleute könnten ja weiter schreiben wie bisher. Wozu dann der ganze Aufwand? Auf die Frage hat Augst gewartet. Nach einer repräsentativen Untersuchung der Universität Heidelberg hätten 49 Prozent der 15- bis 30jährigen nur mangelhafte bis ungenügende Kenntnisse der deutschen Rechtschreibung, sagt er. „Dann muß man sich schon mal fragen, ob man nicht das Regelwerk ändert und erleichtert.“

Wie schwer es vielen Menschen fällt, das Komma an die richtige Stelle zu setzen, weiß Augst, der auf einem kleinen Bauernhof im Westerwald aufwuchs, seitdem er die Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium bestanden hatte. Die Leute aus dem Dorf gingen fortan „zum Gymnasiasten“ und ließen sich die Briefe schreiben. „Schon damals habe ich gedacht, da muß man was ändern“, lacht Augst, heute 59. Übrigens: Der Zigarette hätte er gerne ein doppeltes „r“ verpaßt. Die Kommission spielte nicht mit: „Zu schwierig.“

Kerstin Schneider