■ Berlinalie
: Die Russen fehlen

Warum werden im „Wettbewerb“ der diesjährigen Berlinale keine russischen Filme gezeigt? Fünf Teilnehmer der russischen Delegation gaben darauf fünf unterschiedliche Antworten:

1. „Seit zwei Jahren kann kein großer Film mehr in Rußland gedreht werden, weil der Regisseur Nikita Michalkow eigenmächtig das gesamte Staatsbudget für sein Lebenswerk ,Der Barbier von Sibirien‘ ausgab. Dieser teuerste russische Film aller Zeiten hat am 19. Februar im Kreml Premiere und wird dann auf dem Filmfestival in Cannes gezeigt. Während der Dreharbeiten in Moskau schaffte es Michalkow erstmalig in der Geschichte, daß für eine Filmszene die Kremlsterne ausgeschaltet wurden, für eine andere Szene ließ er kurzerhand einen denkmalgeschützten Teich mit flüssigem Helium füllen, damit die Hauptdarsteller Eislaufen konnten.“

2. „Die besten russischen Jungregisseure, Leute wie Bodrow, Todorowskij, Rogoschkin, arbeiten vorwiegend im Ausland, weil die notwendigen Bedingungen für Dreharbeiten in Rußland derzeit nicht gegeben sind.“

3. „Normalerweise werden die Filme im Herbst fertiggestellt. Wegen der Finanzkrise im August wurde das Privatkapital aus den Projekten rausgezogen, so daß nun viele gute Filme halbfertig auf Halde liegen.“

4. „Das Phänomen russisches Kino besteht überwiegend aus der Tatsache, daß die besten Filme – solche, die die Philosophie des russischen Lebens ausmachen – nur virtuell existieren, d.h. nie gedreht werden. Diese ,Kultfilme‘ werden den Zuschauern mündlich vermittelt. Deswegen gibt es auf der Berlinale jede Menge russische Filmschaffende, -kritiker und -manager, aber kaum Filme.“

5. „Das stimmt doch gar nicht, es gibt auch diesmal viele russische Filme auf der Berlinale, und nicht einmal die schlechtesten. Im Panorama läuft z.B. der neueste Film des Kultregisseurs Rogoschkin ,Blokpost‘. Im Forum- Programm wird Fokinas skandalöser Solschenyzin-Film gezeigt. Die Neuverfilmung des ,Kirschgartens‘ von Sneschkin versucht ein Panorama des zeitgenössischen russischen Lebens. Ähnliches unternimmt Luzik mit seinem Film ,Okraina‘.

Der Aserbaidschaner Ibragimbekov, der in Moskau lebt, arbeitete bisher an den erfolgreichen Filmen von Michalkow (u.a. ,Urga‘) mit, jetzt stellte er im Panorama seinen eigenen Film ,Aila‘ vor. Juri Chaschtschewatskij schließlich hat erneut einen Dokumentarfilm über einen Politiker gemacht: diesmal über Tschou En-Lai. Einige dieser Filme könnten durchaus im Wettbewerb laufen, aber die Festivalleitung weigerte sich. Ich verstehe das nicht!“ Wladimir Kaminer