Johan, der Langweiler

■ Wie sag ich's meiner Mutter? „Fucking Amal“ und „Better Than Chocolate“, zwei Filme über junge Lesben beim Coming-out

Mama, ich muß dir was sagen.“ Elin und ihre Mutter sitzen auf dem Sofa, im Fernsehen läuft eine Quizsendung. „Ich bin lesbisch“, sagt Elin, und als die Mutter nicht versteht, wiederholt sie: „Lesbisch, homosexuell.“ Da schaut die Mutter seltsam berührt, und Elin winkt ab: „Ach was, vergiß es, war nur ein Scherz.“

Nein, ein Scherz war es nicht, aber die Mutter ist ohnehin nicht die größte Sorge der 14jährigen Elin (Alexandra Dahlström). Sie, die von allen angehimmelt wird, von den Mädchen und den Jungs, die Kleinstadtschönheit, um deren Gesellschaft fast jeder Teenager buhlt, ausgerechnet sie verliebt sich in ein Mädchen – und zu allem Übel auch noch in die Außenseiterin Agnes (Rebecca Liljeberg). Was sie so sehr verunsichert, daß sie es zunächst gar nicht wahrhaben möchte und sich mit dem Langeweiler Johan einläßt. Der ist ähnlich dumpf wie das Leben in der schwedischen Provinzstadt. „Scheiß-Amal, Scheiß-Amal“, bricht es denn auch wiederholt aus Elin heraus.

„Fucking Amal“ ist ein bemerkenswertes Spielfilmdebüt. Der 29jährige Regisseur Lukas Moodysson erzählt in präzisen, unsentimentalen Bildern von den Tücken der Adoleszenz: Schlechte Partys und Schminkübungen, Unsicherheit und Außernseitertum, Stillstand und Konformität noch dort, wo scheinbar die Grenzen überschritten werden, dazu Boygroups, der bedingungslose Glaube an Magazine wie Bravo oder Mädchen, Langeweile und das, was im Gender-Diskurs etwas schwergewichtig mit Zwangsheterosexualität bezeichnet wird: All dies bindet Moodysson in eine unspektakuläre Erzählung, deren Stärke in der genauen Beobachtung liegt – und auch darin, daß sie ihren zarten Humor nie verliert. Ganz zu schweigen von der herausragenden Leistung, der beiden Hauptdarstellerinnen: Daß „Fucking Amal“ in Schweden ein Box-office-Hit ist, gleich neben Titanic positioniert, das glaubt man gern. Einer der Favoriten für den Teddy, die Auszeichnung für den besten Film schwul-lesbischer Thematik, ist Moodyssons Debüt allemal.

„Better Than Chocolate“ von Anne Wheeler erzählt von ganz ähnlichen Dingen wie „Fucking Amal“. Zwar sind die Protagonistinnen der kanadischen Regisseurin mindestens fünf Jahre älter als Elin und Agnes, zwar wissen sie über ihre sexuellen Präferenzen Bescheid und landen dementsprechend schneller in den Federn als die beiden Teenagerinnen. Probleme mit einer im besten Fall ignoranten, im schlimmsten Fall homophoben Umwelt haben sie aber auch – und davon eine ganze Menge. Die rotgelockte Maggie (Karin Dwyer) beispielsweise weiß nicht, wie sie ihrer Mutter sagen soll, daß sie an Männern nicht interessiert ist. Frances, Inhaberin des Frauenbuchladens „Ten Percent“, weiß nicht, wie sie die Bücher wiederbekommen kann, die der Zoll wegen des Verdachts auf Pornographie beschlagnahmt hat. Und Judy, ehemals Jeremy, weiß nicht, wie sie die Lesbenszene und so pseudoliberale Wesen wie Maggies Mutter zugleich für sich gewinnen kann.

Lauter Bilderbuchkonflikte aus der schönen queeren Welt Vancouvers kramt Wheeler hervor und verstrickt sie zu einer Komödie, die stellenweise wie ein Loblied auf die alternative Sex-Toy-Industrie daherkommt: Gratiswerbung für Dildo-Gießerinnen. Das ist zwar einigermaßen belanglos, macht aber dennoch gute Laune. „Better Than Chocolate“ taugt als Feel-good-movie. Von der Klasse eines „Fuckin Amal“ freilich ist er weit entfernt. Cristina Nord

„Better than chocolate“, Panorama (Filmpalast), heute, 23.30 Uhr