■ Kein Streik in der Metallindustrie – ein guter Einstieg in das Bündnis
: Eine Frage der Rechnung

Zuletzt gönnten sich die Stiere der Metall- und Elektroindustrie einen eleganten Abschluß ihres Kampfes. Hans-Jochen Vogel sei Dank: Der Schlichter hat eine Einigung herbeigeführt, bei der keine Tarifpartei das Gesicht verliert. Die Arbeitgeber können behaupten, der Abschluß liege unter den gefürchteten vier Prozent. Die IG Metall darf sagen: Wir haben uns voll durchgesetzt, unter dem Strich bleiben 4,2 Prozent.

Beide haben recht – es ist eine Frage der Rechnung. Wer zwölf Monate zugrunde legt, kommt zum höheren Ergebnis, wer auf vierzehn Monate zählt, das niedrigere. Daß die Arbeitgeber trotzdem über den Kompromiß laut ächzen und stöhnen, darf als Nachwehe registriert werden. Das Bündnis für Arbeit kann ohne die Drohkulisse eines Streiks beginnen, die Kanzlerrunde wurde nicht im Vorfeld zerredet.

Gerhard Schröder hat freie Bahn für das ambitionierteste Projekt seiner Regierung. Was hat er bislang vorzulegen? Acht Arbeitsgruppen wurden gegründet. Sie hätten noch nicht viel vorzuweisen, sagt Kanzleramtsminister Bodo Hombach. Selbst der Wirtschaftsbericht der Bundesregierung ist düster. Willensbekundungen allein bringen aber keine einzige Arbeitsstelle. Thema muß nun sein, wie der Produktionsfaktor Arbeit billiger gemacht wird. Zwangsläufig wird darüber zu sprechen sein, wie Löhne – der wichtigste Kostenfaktor der Unternehmen – und Lohnnebenkosten gesenkt werden können. In den Niederlanden und Dänemark ist die Tarifautonomie keine heilige Kuh. Dort geben die Regierungen Empfehlungen für den Lohnabschluß. Auch in Deutschland müssen sich Gewerkschafter, Arbeitgeber und Regierung fragen, was ein verantwortliches Kostenniveau für die hiesige Wirtschaft ist.

Werden sie aber mit den Gewerkschaften vorurteilsfrei über das Thema reden können? Die gestrige Einigung in der Metallbranche hat die IG Metall auf der ganzen Linie gestärkt. Wie von ihrem Chef Klaus Zwickel gewünscht, gibt es keinen Einstieg in ertragsabhängige Lohnzahlungen. Zwickel könnte sich jetzt stur stellen und den Triumph auskosten. Es muß damit gerechnet werden, daß er das Ende der Bescheidenheit noch lange nicht sieht. Annette Rogalla