piwik no script img

Kosten von Strahlenkrebs runtergerechnet

■ Der bei AKW-Gegnern unbeliebte Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz geht in Pension

Hannover (taz) – Feierlich wird heute in Salzgitter der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), Alexander Kaul, in den Ruhestand verabschiedet. Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) hält eine Ansprache. Wer Kauls Nachfolger wird, wird er aber nach Angaben seines Sprechers nicht sagen.

Kaul steht dem Bundesamt, das seinen Sitz im ostniedersächsischen Salzgitter einer Ausgleichsmaßnahme des Bundes für Belastungen durch das Endlagerprojekt Schacht Konrad verdankt, seit seiner Gründung vor und wird von AKW-Gegnern keineswegs geschätzt. Daß er drei Monate nach dem Amtsantritt des ersten grünen Umweltministers in Pension geht, hat jedoch keine politischen Gründe: Der Biophysiker ist am vergangenen Samstag 65 Jahre alt geworden und hat damit das Pensionsalter erreicht.

Kaul hatte zunächst an der FU Berlin die Abteilung „Nuklear- Medizinische Physik und Strahlenschutz“ geleitet und war 1981 zum Leiter des Instituts für Strahlenhyghiene in Nueherberg bei München aufgestiegen. Er war nicht nur Mitglied der Strahlenschutzkommission, sondern vertrat die Bundesrepublik auch in Gremien wie der Internationalen Strahlenschutzkommission (ICRP) oder dem Grundnormenausschuß der Europäischen Gemeinschaft.

Die wissenschaftliche Qualifikation sprachen Kaul auch seine Gegner nie ab. Er habe zu Recht internationalen Ruf erreicht, so etwa der Marburger Nuklearmediziner Horst Kuni. Beim Strahlenschutz jedoch habe er ein Konzept vertreten, „das auf Kosten-Nutzen-Kalkülen beruhte und nicht auf dem Gebot, radioaktive Belastungen möglichst zu minimieren“. Gerade als es im EG-Grundnormenausschuß um die Konsequenzen aus der Tschernobyl-Katastrophe gegangen sei, habe Kaul Konzepte mitgetragen, „bei denen die Kosten zusätzlicher Schutzmaßnahmen gegen die volkswirtschaftlichen Verluste durch zusätzliche Strahlenkrebstote aufgerechnet wurden“. In solchen Rechnungen fielen die Verluste allerdings stets gering aus, weil Strahlenkrebs oft erst im Rentenalter ausbreche.

Das BfS wurde 1989 nach dem Chaos um die Belastungen durch den Tschernobyl-Fallout gegründet, um die Aktivitäten des Bundes beim Strahlenschutz zusammenzufassen. Die Hauptstelle in Salzgitter, wo 276 der 660 BfS-Bediensteten arbeiten, befaßt sich seit knapp zehn Jahren vor allem mit den Endlagern Gorleben und Schacht Konrad. Ein neuer BfS- Präsident hat angesicht der Absicht von Rot-Grün, ein einziges neues Endlager zu suchen, in Salzgitter einige Rationalisierungsmöglichkeiten. Jürgen Voges

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen