Gigantomanie ohne Firlefanz

■ Je mehrteiliger desto besser: Der WDR startet das Großprojekt „Der Kalte Krieg“, das Ergebnis kann sich sehen lassen (So., 21 Uhr)

Guckt eigentlich irgendwer sonntags nachmittags noch regelmäßig bei der ARD-Reihe „100 Deutsche Jahre“ rein? Vielleicht Guido Knopp? Aber der dürfte ja kaum dazu kommen, all seine „eigenen“ Serien zu sichten, die fleißige ZDF-Mitarbeiter da unaufhörlich zusammenbasteln.

Wie auch immer. Ende des Jahrtausends überkommt Fernseh-Dokumentaristen, selbst „private“, offenbar der Drang, nochmal groß auszuholen und Reihen zu allen erdenklichen Themen auf den Schirm zu hieven. Und, so will es nunmal der Hang zur Gigantomanie: Je mehrteiliger, desto besser. Natürlich steht auch das 24teilige Großprojekt über die Geschichte des Kalten Krieges, das am Sonntag im WDR-Fernsehen an den Start geht (später ist auch an diesem Abend natürlich noch Guido Knopp im ZDF dran) im Zeichen des grassierenden Reihenfiebers. Und natürlich gibt's auch hier „das Buch zur Reihe“, und natürlich klingen auch hier die Produktionsdaten wieder schwer nach Guinness-Buch: Satte fünf Jahre lang haben die fünfzig Macher der Serie in aller Welt in Archiven gebuddelt, rund 530 Zeitzeugen gefragt und in über dreißig Ländern ihre Kameras aufgebaut, um aktuelles Material zu drehen.

In diesem Fall kann sich das Ergebnis sehen lassen. Dafür bürgt schon der Name Jeremy Isaacs, der die Rückschau auf 45 Jahre Politik im Zeichen der atomaren Bedrohung für „Turner Original Productions“ (eine Firma von CNN- Gründer Ted Turner) produzierte. Der Schotte Isaacs erfand nicht nur Channel 4, sondern machte sich auch als Verantwortlicher für die vielgerühmte Reihe „World at War“ einen Namen.

Die erste Folge von „Cold War“ („Waffenbrüder gegen Hitler“) rekonstruiert akribisch die Vorgeschichte des Kalten Krieges. Dabei geht der Film bis an die Anfänge dieses Jahrhunderts zurück, zeichnet dann das Zweckbündnis zwischen den Westmächten und Stalin gegen Hitler nach und endet mit der Potsdamer Konferenz. Alles wird untadelig (und vor allem ohne jeden modischen Firlefanz) aufbereitet, ist aber vielleicht nicht unbedingt die spannendste Folge dieser Chronologie. Schlicht, weil es beim 2. Weltkrieg durch die Flut von Dokumentationen unter diesem Aspekt kaum noch ein Geheimnis zu lüften gibt und man selbst die Anekdote jenes Fotografen, der das berühmte Bild von der Sowjetfahne auf dem Berliner Reichstag schoß, schon irgendwo gehört hat. Von daher dürften spätere Folgen der Reihe, die sich u.a. dem Korea- Krieg, dem grotesken Wettstreit der beiden Supermächte im Weltraum oder der Kuba-Krise widmen, weitaus spannenderes (weil schlicht ungesehenes) Material zu bieten haben. Zumal dann auch die illustre Riege von unmittelbar Verantwortlichen ausgiebig zu Wort kommen dürfte. So legt beispielsweise in Sachen Kuba-Krise nochmal Castro höchstselbst seine Sicht der Dinge dar. Reinhard Lüke

Die weiteren Folgen: jeweils sonntags, 21 Uhr, WDR