■ Die Anderen
: "La Stampa", "Liberation", "The Guardian" zu Öcalan / "ABC" zu den Kosovo-Verhandlungen

Über die Videoaufnahmen des gefangenen Öcalan schreibt die liberale Zeitung „La Stampa“ (Turin): Es gibt Bilder, die Geschichte gemacht haben. Es gibt ein Foto von Alberto Korda, das Ernesto Che Guevara zeigt und zu einer positiven Ikone des Rebellen wurde. (...) Die Aufnahme von PKK-Chef Öcalan in Handschellen und mit verbundenen Augen vor der türkischen Flagge ist ein Schlag in den Magen. Wenn er mit Recht verhaftet wurde – dieses Foto hat die Macht, dies auszulöschen und der Geschichte ein Bild der Barbarei zu hinterlassen. Mit einem erschwerenden Umstand: Das Foto von Guevara war ein Schnappschuß. Dies aber ist Propagandamaterial einer Regierung, die sich als demokratisch bezeichnet.

Die linksliberale französische Zeitung „Libération“ zum Verfahren gegen Öcalan: Trotz der Zusagen des türkischen Ministerpräsidenten Bülent Ecevit für einen fairen Prozeß bleiben große Zweifel an der Rechtmäßigkeit des eingeleiteten Verfahrens gegen den kurdischen Rebellenführer, der von Ankara als Staatsfeind Nummer eins betrachtet wird.

Für die großen Medien ist die Sache bereits aufgegangen: Abdullah Öcalan als Chef einer „blutigen Terrororganisation“ verdiene die Höchststrafe, also die Todesstrafe. (...). Die türkischen Behörden sagen, sie hätten von niemandem eine Lektion entgegenzunehmen, und einige Signale (...) lassen keinen Zweifel an einem sehr schnellen Prozeß.

Die linksliberale Zeitung „The Guardian“ zum gleichen Thema: Es ist während der Öcalan-Krise nun unerläßlich, daß die Türkei erkennt, daß ihre langfristigen Interessen eine symbolische Westintegration erfordern. Und das bedeutet, daß die Türkei anerkennt, daß das Gerichtsverfahren gegen Öcalan ein Gegenstand des internationalen Interesses ist. Ein ordentlicher Prozeß ist selbst unter den schwierigen Umständen eines Bürgerkrieges ein Menschenrecht. Die Türken haben einen taktischen Sieg errungen. Was man in Ankara nun braucht, ist ein Blick für Strategie. Kein Großmut, sondern eine klare Sicht des nationalen Interesses. Und das liegt darin, daß ausländische Beobachter zugelassen werden.

Zu den Kosovo-Verhandlungen auf Schloß Rambouillet schreibt die konservative spanische Zeitung „ABC“: Die Unnachgiebigkeit des jugoslawischen Präsidenten (Slobodan) Milošević, die brutale Unterdrückung der Kosovo-Albaner und die lauwarme Reaktion Europas sind die Ursachen eines Konflikts, der an diesem Samstag in Bombenangriffen der Nato ausarten könnte. Dies wäre eine unglückliche Lösung, die nur mit großer Besorgnis betrachtet werden kann. Aber Milošević ist es, der dafür geradestehen müßte. Zwischen der Absage Rußlands an einen Militäreinsatz und der Entsendung von US-Kampfflugzeugen liegt ein Pulverfaß, das in einigen Stunden im Balkanherzen Europas explodieren könnte.