Die Hoffnung stirbt im Schlamm

Nach phasenweise guter Leistung beim 0:2 gegen Kaiserslautern erntet Borussia Mönchengladbach reichlich Mitgefühl, viel Lob, aber keine Punkte  ■ Von Holger Jenrich

Mönchengladbach (taz) – Versucht hatten die Gladbacher vor dem Spiel am Sonntag abend wirklich alles. Griffe in die Psychokiste, eine Horde Killerviren, musiktherapeutischen Schnickschnack – das volle Programm. Mit Uli Borowka etwa hatte der Club vom Niederrhein einen Veteranen angekarrt, der die Abstiegskämpfer von heute an glorreiche Tage von einst gemahnen sollte. Mit Kalla Pflipsen hatte er ausgerechnet demjenigen einen kampfunfähig machenden Grippevirus auf den Hals gehetzt, der als niederrheinische Inkarnation des Andy Möller regelmäßig Zehntausende zum Wahnsinn treibt. Mit „Born to be alive“ ließ man vor der Partie einen Hit durch die Boxen dröhnen, dem es zwar an vielem, nicht aber an übertragener Bedeutung gebricht. Zudem überzog man die Stadt und die Regenjacken der leidensfähigen Anhänger mit grünen Punkten. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ stand in kleinen Lettern darauf. Und darunter und fetter: „Der Stolz nie.“

Ein paar Stunden später mußten die Verantwortlichen ein trauriges Fazit ziehen: Hat alles nix genutzt. Wiewohl Trainer Rainer Bonhof nach dem Spiel kundtat, „mit der Leistung, der Einstellung und dem Kampfgeist der Mannschaft konform“ zu gehen – die große Aufholjagd in Sachen Klassenerhalt begann mit der schon obligatorischen Niederlage. 0:2 hieß es am Ende gegen Meister Kaiserslautern. „Wir haben unsere Möglichkeiten genutzt, die Gladbacher nicht“, resümierte Lauterns Coach Otto Rehhagel emotions- und schmerzlos das Geschehen, um nach Ausschalten der Lautsprecher den gebeutelten Gladbacher Berufskollegen doch noch post- karnevalistisch abzubützen. Was er ihm dabei ins Ohr geflüstert hat, entzieht sich der Kenntnis unserer Richtmikrofone. Hämische Sticheleien wie „So einen wie Olaf Marschall hättste auch gern, was?“ werden es vermutlich nicht gewesen sein. Eher verbale Streicheleinheiten der Marke „Kopf hoch – das war doch ganz ordentlich“.

War es nämlich auch. Bis der große Regen kam und in der einstigen Kiesgrube im Stadtteil Eicken eher Wasserball denn Fußball zuließ, waren die Gastgeber erstaunlich selbstbewußt und spielfreudig zu Werke gegangen. Die Tatsache jedenfalls, daß Fußball-Beelzebub Berti Vogts künftig seine zweifelhaften Fähigkeiten als Aufsichtsrat in die Waagschale zu werfen gedenkt, verklebte den Borussen nicht das Hirn und verknotete ihnen nicht die Beine. Feldhoff gab einen recht couragierten Polster- Verdränger, Frontzeck machte auf seine alten Tage mächtig Dampf, und Teenager Deisler stellte pässeschlagend ein ums andere Mal unter Beweis, warum sich vor Jahren schon einmal Real Madrid für ihn interessiert haben soll.

Dann jedoch hielt Marschall nach einer flachen Freistoßflanke in bemerkenswerter Gerd Müller- Manier den Schlappen hin – und schon war bei den Männern im Dreß mit der Borussen-Raute die alte Angst wieder da. Kein Gedanke mehr an die transparentene Fan-Aufforderung „Auf geht's, Jungs!“ in der Nordkurve. Statt dessen Nervenflattern, Magengrummeln, Muffensausen.

Das lustige Getümmel auf der Seenplatte des Bökelbergs erinnerte in seiner Schmierseifigkeit bisweilen an selige „Spiel ohne Grenzen“-Tage – nur daß seinerzeit ein veritabler Bauchflätscher für das gastgebende Team keine derart fatalen Konsequenzen hatte wie Sonntag abend ein Stochern im niederrheinischen Morast. Erst nämlich blieb Pettersson auf dem Weg zum sicheren 1:1 frei vor Lauterns Keeper Reinke auf tragische Weise im Matsch stecken. Und dann hinderte auf der Gegenseite die aufgeweichte Spielfeldpampe den weit nebens Gladbacher Tor gedroschenen Ball am Überschreiten der Spielfeldbegrenzung – ehe die Borussen so richtig kapiert hatten, daß die Pille mitnichten aus war, hatte der pfälzisch-sächsische Fußballgott Olaf aus keiner Chance klammheimlich sein zweites Tor gemacht.

Was folgte, waren 35 ereignisarme Minuten Hauruckfußball, 30 torlose Minuten Toni Polster und jede Menge Mitgefühl. „Borussia Mönchengladbach hat ein gutes Spiel gemacht“, tröstete Hennes „DFB“ Löhr. „Spielerisch und kämpferisch hat mich Mönchengladbach überzeugt“, lobhudelte Erich „Teamchef“ Ribbeck. „Noch ist gar nichts verloren“, mutspendete Jürgen „Club“ Rüttgers. Derart aufmunternde Worte des neuen CDU-Häuptlings von Nordrhein-Westfalen inspirierten dann wohl auch die Medienabteilung der Borussia zu einem letzten Motivations-Coup. Als nämlich die aktualisierte Liga-Tabelle ausgehändigt wurde, war die Zahl der Absteiger auf dem Papier wie durch ein Wunder von 3 auf 2 geschrumpft. Da sieht – an irgendwelche Strohhalme muß man sich schließlich klammern – die Gladbacher Zukunft doch gleich einen Tick freundlicher aus.

1. FC Kaiserslautern: Reinke – Sforza – Ramzy, Samir – Buck (49. Koch), Ratinho (87. Roos), Ballack, Wagner, Reich – Marschall, Riedl (82. Hrutka)

Zuschauer: 25.000; Tore: 0:1 Marschall (27.), 0:2 Asanin (54./Eigentor)

Borussia Mönchengladbach: Enke – Andersson – Klinkert, Asanin – Eberl, Sopic (58. Polster), Deisler, Frontzeck, Ketelaer (62. Witeczek) – Pettersson (84. Göktan), Feldhoff