■ Daumenkino
: Kurt & Courtney

Der Amerikaner liebt seine Berühmtheiten wie seine Verschwörungstheorien. Die Leiche von Kurt Cobain war noch nicht kalt, da waren bereits Bücher auf den Weg gebracht, die beweisen sollten, daß wahlweise CIA, KGB, Ku-Klux-Klan oder wenigstens seine Witwe Courtney Love in den polizeilich als Selbstmord diagnostizierten Tod verwickelt waren. So schrieb zum Beispiel ein Herr namens Hank Harrison ein Buch, in dem Love als männermanipulierendes, ehrgeizzerfressenes Monster vorkommt, das Cobain umbrachte, umbringen ließ oder in den Selbstmord trieb, weil er sich von ihr scheiden lassen wollte und so ihre eigene Karriere in Gefahr brachte. Außerdem ist Harrison der Vater von Courtney Love.

Auf die Spuren dieser Theorie begab sich der britische Filmemacher Nick Broomfield. Als Zeugen befragt er Verwandte und Freunde von Cobain, natürlich Harrison und den Privatdetektiv, der für Love den Tod ihres Mannes aufklären sollte. Es beginnt ein Verwirrspiel, in dem Broomfield Indizien sammelt, in der die Frage, wie Kurt Cobain zu Tode gekommen ist, schnell ersetzt wird durch: Wer ist Courtney Love? Broomfield spricht mit einem ehemaligen Liebhaber von Love, der seine Exfreundin als Mega- Groupie beschreibt. El Duce, der fett-feiste Sänger einer Band namens Mentors, will ein 50.000-Dollar-Angebot von Love für den Mord an Cobain abgelehnt haben. Daß er offensichtlich betrunken ist, macht ihn nicht glaubwürdiger. Daß er noch während der Dreharbeiten von einem Zug überrollt wird, scheint seine Geschichte wiederum zu stützen. Love verweigert ein Interview. Statt dessen läßt sie ihm mit einstweiligen Verfügungen verbieten, Musik oder auch nur Textzeilen von Nirvana zu verwenden. Geldgeber springen ab, weil sie „von Courtneys Leuten“ unter Druck gesetzt werden.

Nun beginnt ein neuer Film. Broomfield rückt immer öfter sich selbst ins Bild, während er mit seinem Produzenten telefoniert oder Freunde von Cobain interviewt. Broomfield, der zuvor u.a. Dokumentationen über die Serienkillerin Aileen Wuornos und die Callgirl- Chefin Heidi Fleiss gedreht hatte, ist nun selbst Figur in einem Spiel, in dem es um den Zugang und die Verarbeitung von Information geht.

Der Film ist fast zu Ende, der Zuschauer hat es sich gerade ganz gemütlich eingerichtet in der Konspiration gegen Courtney Love, als Broomfield sein eigenes Verdachtskonstrukt wieder einstürzen läßt. Die Psychose löst sich auf, auch weil sie sich schlußendlich auf nicht wesentlich mehr stützt als das Mißtrauen gegen eine starke und erfolgreiche Frau, hinter der kein Mann steht und die trotzdem ihr Image selbstbestimmt kontrolliert. Thomas Winkler

„Kurt and Courtney“. Regie: Nick Broomfield, USA 1997, 95 Min.