: Comeback der Schiene
Weil's schneller und billiger ist: Beim Güterverkehr bekommt die Bahn AG jetzt Konkurrenz ■ Aus Ludwigshafen Wolfgang Bauer
Sie sehen aus wie gewöhnliche Züge, sind es aber nicht: Zwischen Ludwigshafen und dem 30 Kilometer entfernten Germersheim pendeln der „grüne Klaus“ und der „blaue Klaus“ – gesteuert nicht von einem Beschäftigten der Bahn AG, sondern einem Lokführer des Chemieunternehmens BASF. Klaus und Klaus gehören zu den wenigen Güterzügen in Deutschland unter privater Regie. Nachdem Private beim Personenverkehr dem alten Monopolisten Bahn AG bereits heftig Konkurrenz machen, regt sich nun auch beim Güterverkehr auf der Schiene die Privatinitiative. Neben der Chemieindustrie planen auch die Paketdienste von UPS und der Post AG ihr eigenes Bahnsystem.
Von vielen Logistikexperten war der Güterschienenverkehr längst abgeschrieben. Seit dem massiven Ausbau des Autobahnnetzes und der Erfindung des Just- in-time-Prinzips schien die Bahn gegenüber dem Lkw keine Chance mehr zu haben. Die Zukunft, so die Kalkulation, liege auf der Straße. In den letzten Jahren schmolzen die Vorteile der Straße aber dahin. Der dramatisch gestiegene Lkw-Verkehr blockiert sich mittlerweile selbst. Verspätungen häufen sich, die Durchschnittsgeschwindigkeit der Transporte sinkt.
Im September 1997 zog die BASF erste Konsequenzen. Auf der Strecke von Ludwigshafen nach Germersheim (dort gibt es einen Rheinhafen) nahm sie die Laster von der Straße und setzte den grünen und den blauen Klaus auf die Schiene. Und siehe da: Die werkseigenen Containerzüge fahren schneller und effizienter als vormals die Brummis.
Das machte Lust auf mehr. Logistikchef Bernd H. Flickinger kaufte sich kürzlich eine neue Lok („Blue Tiger“) und will den BASF- Schienengüterverkehr auf weitere Strecken ausdehnen. Vom Frühjahr 1999 an werden Firmenzüge zu den BASF-Standorten in Brandenburg und Belgien aufbrechen. Das für die Chemieproduktion zentrale Kalisalz besorgt sich das Unternehmen aus Nordhessen künftig auch mit eigenen Bahnen. Die Werkszüge sollen insgesamt eine Million Tonnen Güter transportieren. Im Vergleich zu Fahrten mit der DB Cargo, einer Tochter der Bahn AG, spart Flickinger Kosten in Höhe von 25 Prozent.
Doch die BASF-Bahn könnte bald noch sehr viel attraktiver werden. Denn die DB Cargo hat gerade angekündigt, Vergünstigungen beim Transport leerer Container und Tanks zu streichen. Bisher mußte Flickinger bei vollen Tanks 100 Mark pro Tonne zahlen und bei leeren Tanks nur 50 Mark. „Jetzt werden sich die Kosten für uns verdoppeln“, fürchtet er. Noch versucht er, die Preise zu drücken. Gelingt es ihm nicht, warnt er die Deutsche Bahn, „werden sich die Chemieverlader zusammensetzen“. Und vielleicht käme dabei ja die Gründung eines neuen Bahnunternehmens heraus.
Der amerikanische Paketversender United Parcel Service (UPS) und die Deutsche Post AG sind da schon weiter. Weil die DB Cargo kein akzeptables Angebot vorlegen konnte, wollen die beiden Unternehmen eigene Güterzüge entwickeln und fahren lassen. Eine gemeinsame Projektgruppe, die die Realisierbarkeit des Vorhabens prüfte, hat ihre Arbeit vor kurzem abgeschlossen. Mit dem „Express Shuttle“ soll die DB Cargo ihren ersten bundesweiten Konkurrenten bekommen.
Beide Firmen haben Expreßdienste, und beide haben dasselbe Problem: Es wird immer schwieriger und aufwendiger, die Paketlaster pünktlich ankommen zu lassen. „Auf der Straße kann es in Zukunft nur schlimmer werden“, glaubt UPS-Manager Can Baki. Das Expreßgutaufkommen wachse gewaltig, die Straße könne diese Transportmengen nicht länger fassen.
In den USA schickt UPS 29 Prozent seiner Fracht auf die Schiene. In Deutschland komme der Bahnanteil auf 4 Prozent. „Beschämend wenig“, meint Baki. Mit dem „Express-Shuttle“ sollen es mindestens 20 Prozent werden. „Wir wollen die Bahn in Sachen Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit mit der Straße konkurrenzfähig machen.“ Die Projektgruppe setzt auf neu entwickelte Zugsysteme, Spitzengeschwindigkeiten von 160 Stundenkilometern und modernste Rangiertechnik. 150 Millionen Euro kosten die Pläne nach vorläufigen Schätzungen. Nachdem in einjährigen zähen Gesprächen die DB Netz, die für die Schienenbenutzung kassiert, auf einen Trassenpreis von 5,80 Mark für den Kilometer herunterverhandelt werden konnte, sei die Wirtschaftlichkeit des „Express- Shuttle“ sichergestellt.
In einer Testphase wollen UPS und Post zunächst die Nord-Süd- Achse zwischen Hamburg, Stuttgart und München testen. Der Anfang vom Ende des großen Molochs DB Cargo? Michael Adam, Pressesprecher der Bahntochter, widerspricht heftig: „Ich garantiere Ihnen, den UPS-Zug wird es nicht geben.“ Man habe der Post vor kurzem ein Angebot gemacht, das die „Augen leuchten ließ“. Wettbewerber fürchtet Adam nicht: „Wir schrecken vor nichts zurück“.
In der Tat besitzt die DB Cargo bei diesen Spiel einen Joker: Die Verwandte DB Netz läßt sie wesentlich billiger auf ihren Schienen fahren. Das wird nicht als Mauschelei gesehen, sondern als üblicher Rabatt für einen Großkunden. Das Problem: Bisher gibt es eben nur diesen einen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen