■ Guatemala: Der Bericht der Wahrheitskommission liegt vor
: Eine Versöhnung ist nicht in Sicht

Es verdient Respekt, was die guatemaltekische Wahrheitskommission aus ihrem eingeschränkten Mandat gemacht hat. Sie durfte keine Namen nennen, sondern nur institutionelle Verantwortlichkeiten festlegen. Und sie durfte keine Amnestien erlassen oder ablehnen. Selbst ihre als Empfehlungen abgegebenen Schlußfolgerungen haben keinerlei verbindlichen Charakter. Die Regierung kann sich danach richten oder es bleiben lassen. Und trotzdem ist es der Kommission gelungen, Staat und Armee ein dickeres Ei ins Nest zu legen, als diese erwartet hatten.

Auch ohne Namen zu nennen, kann man klarmachen, wer gemeint ist. Nur ein Beispiel: Kommissionsleiter Christian Tomuschat wies bei der Übergabe des Berichts darauf hin, daß man „nach ausgiebiger Untersuchung“ festgestellt habe, daß „Agenten des Staates“ in den Jahren 1981 bis 1983 Völkermord an den Mayas verübt hätten und daß die Befehle von ganz oben kamen. Die Repräsentanten von Menschenrechtsgruppen im Saal verstanden und skandierten: „Erst Pinochet, dann Rios Montt!“

Der General im Ruhestand, Efrain Rios Montt, war damals Staatschef und ist noch heute ein vom Establishment geachteter Mann und Vorsitzender der größten Oppositionspartei. Er sollte sich künftig gut überlegen, ob er ins Ausland verreist. Denn das Delikt Völkermord kann international verfolgt werden. In Guatemala selbst muß der blutige Diktator zunächst nichts befürchten. Nicht einmal Tomuschat glaubt, daß die schwache Staatsanwaltschaft in der Lage sein wird, einen prominenten Bürgerkriegsverbrecher vor einen korrupten Richter zu bringen. Da helfen auch Empfehlungen nichts, die darauf abzielen, das Justizsystem stärker und unabhängiger zu machen. Die Regierung muß dies auch wollen. Aber sie will es nicht. Präsident Alvaro Arzú hielt es nicht einmal für nötig, den Bericht der Kommission selbst in Empfang zu nehmen. Die zweistündige Veranstaltung saß er als Ehrengast stoisch und ohne sichtbare Gemütsregung ab.

So machte die Zeremonie wenigstens klar, daß der Frieden in Guatemala nur ein formaler ist. Und sie verdeutlichte, wo die Front in der Gesellschaft verläuft – zwischen einigen wenigen Wohlhabenden und den vielen Habenichtsen. Der am Donnerstag übergebene Bericht ist nicht das Ende, sondern bestenfalls der Anfang einer Auseinandersetzung mit der blutigen Geschichte des Landes. Ob am Ende so etwas wie „nationale Versöhnung“ stehen kann, ist noch lange nicht ausgemacht. Toni Keppeler