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Bremens Muslime im Schulterschluß

In der Hansestadt haben Muslime eine Kampagne für Gewaltfreiheit gestartet. Der Friedensappell, der unter Vermittlung von Bürgermeister Scherf (SPD) zustande kam, richtet sich an Kurden und Türken gleichermaßen  ■ Aus Bremen Eva Rhode

Bremens Muslime haben eine in Deutschland einzigartige Kampagne für Gewaltfreiheit gestartet. Gestern wurde der Friedensappell, der sich an Kurden und Türken gleichermaßen wendet, in den vielen Moscheen zum Bestandteil der Freitagsgebete. Das Motto: „Islam – das bedeutet Frieden.“

Die Initiative dazu stammt vor allem von geistlichen Vertretern des Islam. Als nach der Entführung und Verhaftung des PKK- Führers Öcalan die Stimmung zwischen Kurden und Türken in Bremen immer explosiver wurde, wandten sie sich an Bürgermeister Henning Scherf (SPD) und baten ihn um Vermittlung. Scherf rief die Vertreter von einer kurdischen und 15 türkischen Moscheen sowie von 20 muslimischen Vereinigungen zu sich ins Rathaus, wo sie den gemeinschaftlichen Friedensappell verabschiedeten.

Pfarrerssohn Scherf hatte sich bereits im vergangenen Jahr für die „erste Bremer Islamwoche“ stark gemacht, auch gegen den Protest des Hardliners im Lager der Koalitionspartei CDU, Innensenator Ralf Borttscheller, der davor gewarnt hatte, „den Islamisten den Marktplatz zu überlassen“. Die Veranstaltungsserie war ein Publikumserfolg, der Dialog zwischen den muslimischen Gruppierungen wurde gestärkt. In deren Appell heißt es nun: „Wir haben Verantwortung für Bremen. Und wir haben Verantwortung dafür, daß unser Glaube an den Frieden gerade dann sichtbar bleibt, wenn wir anderen damit ein Beispiel geben können.“

Den einzigen Streitpunkt legten die Muslime schnell und diplomatisch bei. Von einer „Verhaftung“ des PKK-Führers Abdullah Öcalan wird nun nicht mehr gesprochen. Die Kurden hatten gegen diese Formulierung protestiert, weil sie mit Rechtsstaatlichkeit assoziiert werde.

Seit Tagen ist es in Bremen jetzt ruhig geblieben. Noch zu Beginn der Woche hatte die Lage ganz anders ausgesehen. Zwar waren mehrere Demonstrationen PKK- naher KurdInnen friedlich verlaufen. Doch nachts waren drei türkische Reisebüros durch Brandstiftung in Flammen aufgegangen. Auch andere türkische Einrichtungen waren Ziel mehrerer Anschläge geworden. Gegen zwei junge Kurden wurde Haftbefehl erlassen. „Unter den Türken gärt es“, hatte kurz darauf die ausländerpolitische Sprecherin der Bremer SPD, Barbara Wulff, gewarnt. Auch der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Arendt Hindriksen, der bei den Demonstrationen PKK- naher KurdInnen voranging und für Gewaltfreiheit warb, mahnte: „Die Stimmung unter den jungen Leuten ist explosiv.“ Als schließlich in den türkischen Moscheen die Kurden wegblieben, „weil sie sich durch die Stimmungsmache türkischer Medien verständlicherweise verletzt fühlen“, wie vermutet wird, schlugen auch die Geistlichen Alarm.

Eine große Vermittlerrolle spielt der Besitzer eines Reisebüros, das angezündet worden war. Beim Treffen der Muslime im Rathaus hatte Mustafa Karabacak, Migrant der ersten Generation und in der Stadt als ehemaliger Betriebsrat der Stahlwerke bekannt, eindringlich für Gewaltfreiheit geworben. „Damit hat er alle schwer beeindruckt“, sagen der Sprecher der der Milli Görüș nahestehenden Fatih-Gemeinde und der Geschäftsführer des Islam-Archivs in Bremen, Mehmet Kilinc. Beide gehören zu denen, die den Anstoß zur Bremer Initiative gaben.

Nur die Moscheengruppe, die zum Verband der Islamischen Kulturzentren gehört, blieb nach einer entsprechenden Order aus der Kölner Zentrale weg. Ein Sprecher der als islamistisch und ultra-nationalistisch eingeordneten Gruppe sagt: „Wir sind eine religiöse Gemeinde. Das Kurdenproblem ist politisch.“ In den anderen Moscheen geht man mit dem Appell deshalb vorsichtig um. Direkt in den Gebetsräumen wird er kaum verkündet. „Wir wollen politische Mißverständnisse vermeiden“, heißt es vielerorts.

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