: Ratloser Bundesreichstag
Als wäre der künftige Parlamentssitz mit Debatten über Schwarzarbeit und Pfusch, fehlende Kruzifixe und eine mangelhafte Lautsprecheranlage nicht zu Genüge gesegnet, ist nun auch noch der Zwist um den Namen vom Bauzaun ausgebrochen.
Der Anlaß entpuppte sich als uninformierter Schnellschuß des Vorsitzenden der Bundestags-Baukommission, Dietmar Kansy (CDU). Hatte der doch erklärt, der Ältestenrat wolle dem Gebäude einen neuen Namen aufdrücken. Die Parlamentarier dementierten – nein, nur um die Hinweisschilder gehe es bei der Entscheidung für den kommenden Donnerstag. Der gründerzeitliche Sandsteinkoloß sei weiterhin das „Reichstagsgebäude“ und der„Bundestag“ sei nach Auskunft seiner eigenen Pressestelle „nichts, was mit Händen zu greifen sei“, sondern die abstrakte Institution.
Nun wäre der parlamentarische Burgfrieden wiederhergestellt, wäre da nicht Wolfgang Thierse (SPD). „Es gibt kein Reich“ und somit auch keinen „Reichstag“, auch nicht als Bauwerk – folgerte der Parlamentspräsident, gestützt auf Historiker und Meinungsforscher. Gibt es doch in der Bevölkerung Mehrheiten für die Bezeichnung „Bundestag“. Doch Thierses politisches Vokabeltraining geht noch weiter: „Plenarsaal“, „-gebäude“ und „-bereich“ fordert er.
„Zum Plenarbereich, bitte“ – das ließe Berliner Taxifahrer sicher stutzen. Denn egal, ob meterlange Schilder demnächst auf den „Deutschen Bundestag im Reichstagsgebäude“ hinweisen werden – letztlich, da sollten sich auch die Parlamentarier illusionslos geben, entscheidet über den Namen die „Berliner Schnauze“. Und die ist bekanntlich über jegliche political correctness erhaben. Christoph Rasch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen