■ Mit Drohungen auf du und du
: RWE sagt servus

Berlin (taz) – Die Vorstandschefs deutscher Konzerne mögen die rot-grüne Regierung grundsätzlich nicht. Besonders verabscheuen sie jedoch deren Pläne zur Reform der Unternehmensbesteuerung, die liebgewordene Privilegien abbauen könnte. Da der in den 16 Jahren konservativer Regierung gepflegte gute Draht zwischen Wirtschaft und Politik seit September gekappt ist, bleibt den Lenkern der Konzerne jedoch nur, der Regierung zu drohen.

Der Stromkonzern RWE hat am Wochenende gedroht. Investitionen werde er verschieben, wenn die Stromkonzerne in Zukunft ihre Rückstellungen versteuern müßten. Zum Beispiel der umstrittene Braunkohletagebau Garzweiler II müsse nun noch einmal neu durchgerechnet und überprüft werden. Ökologisch bewußte Menschen und die Bewohner auf dem Braunkohleflöz mag diese Äußerung hoffnungsvoll stimmen. Doch RWE verfügt über ein Drohpotential, das Politiker nachdenken lassen wird. „Es geht dabei immerhin um 14.000 Arbeitsplätze“, sagte ein Sprecher des Unternehmens der Bild am Sonntag. Außerdem werde RWE prüfen, „Investitionen ins Ausland zu verlagern“.

RWE-Chef Dietmar Kuhnt hat ausgerechnet, daß die Steuerpläne die Stromkonzerne mit 25 Milliarden Mark belasten. Vorsorglich hat er dies den Fraktionschefs in einem Brief mitgeteilt, der auch über die Montagsmagazine verbreitet wird. Viag-Chef Wilhelm Simson, ebenfalls im Energiegeschäft tätig, appellierte an die Fraktionen, die Steuervorhaben „dringend zu überdenken“.

Drohgebärden hatten Mitte der Woche bereits Manager der Versicherungswirtschaft eingenommen. Der Allianz-Konzern, immerhin der größte Versicherer Europas, hatte angekündigt, unter den geplanten Besteuerungen zu erwägen, Geschäftsteile ins Ausland zu verlagern. Die Allianz hat errechnet, daß sie von diesem Jahr an bis 2002 Mehrkosten von 2,5 Milliarden Mark hinnehmen müßte. Die deutsche Versicherungsbranche werde mit 18 bis 20 Milliarden Mark Steuern in diesem Zeitraum belastet.

Um dem zu entgehen, könnte die Allianz die Sparten internationale Industrieversicherung, Rückversicherung und Anlageverwaltung ins Ausland verlegen. Letzteres Geschäftsfeld, auch Asset Management genannt, könnte die Allianz auch von London aus betreiben. Der Verlust für Deutschland wäre beträchtlich. Denn immerhin gehört die Allianz zu den weltweit zehn größten Unternehmen in diesem Bereich: Sie verwaltet rund 660 Milliarden Mark. ufo