Kommentar
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■ Klinik stiehlt sich aus Verantwortung

Recht haben und recht kriegen sind zweierlei, heißt es im Volksmund. Die Geschichte von Vera Stein zeigt das sehr deutlich. Die Fakten liegen klar auf der Hand. Der Vater liefert die 20jährige in die Psychiatrie ein. Obwohl sie volljährig ist, wird sie nicht gefragt. Nicht einmal das Formular für die Aufnahme unterschreibt sie. Das Landgericht spricht ihr dafür Schmerzensgeld und Entschädigung zu. Doch anstatt das Urteil anzunehmen und die Altlasten der Psy-chiatrie mit Anstand zu beerdigen, geht die Heines Klinik in Berufung. Ein neues Gutachten soll im Nachhinein den Geisteszustand der Frau untersuchen. Davon einmal abgesehen, daß das schwierig werden dürfte, spielt es keine Rolle. Die Frau war nicht entmündigt.

Selbst wenn sie tatsächlich, wie die Klinik argumentiert, unter Wahnvorstellungen gelitten hat und zu keiner Willensäußerung fähig war, hätte ein Gericht das feststellen, sie entmündigen und die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik anordnen müssen. Stattdessen haben die Ärzte selbstherrlich entschieden, die Frau festgehalten und behandelt. Spielt es in dieser Geschichte vielleicht eine Rolle, daß die Patientin eine Frau war, und daß sie vom Vater eingeliefert wurde? Studien zufolge landen Frauen schneller in der Psychiatrie als Männer und sie bleiben auch länger dort. Wenn Vera Stein den Anspruch auf Schmerzensgeld und Entschädigung verlieren sollte, wäre das ein Skandal. Kerstin Schneider