Aus Pilzen werden Palmen

Heftich! Auf der Stripheftchen-Messe im Westwerk beweisen die deutschen Off-Comic-Zeichner wieder Solidarität und Qualität  ■ Von Brittta Peters

Asta und Bohno sind multiple Persönlichkeiten. 26 Zeichner haben an der tragischen Liebesgeschichte zwischen den beiden mitgearbeitet, und mit jeder Bildfolge wurde ihnen eine neue Identität verpaßt: Klar, daß die Asta von Rattelschneck gezeichnet anders aus der Wäsche guckt als aus der Feder von Martin tom Dieck. Zu sehen gibt es die Metamorphosen in Atak's Wondertüte Nr. 1, eines der unzähligen Heftchen, die jetzt auf der Independent-Comic-Messe Heftich! vorgestellt werden.

Auf Initiative der Inc. – ein Zusammenschluß aus über 100 Zeichnern, der auch die großen Ausstellungen Am Anfang war der Strich, Comopoly, den Comic-Supermarkt Ehrlich Billig und zuletzt Die vierte Dimension veranstaltet hat – präsentieren, verkaufen und signieren gut 40 Künstler drei Tage lang ihre Eigenproduktionen. Mit dabei sind die Low-Budget-Verlage Jochen Enterprise, Reprodukt und Zwerchfell, vertreten durch nochmal ebensoviele Zeichner. Die Messe bietet einen Überblick über die deutsche Heftchenkultur, eine gewachsene, künstlerisch innovative und experimentierfreudige Szene, die den etablierten Verlagen zunehmend Konkurrenz macht. Letzteres wurde durch die große Resonanz beim Verkauf der gehefteten Blätter auf dem Erlangener Comic-Salon 1998 besonders deutlich.

Die Geschichte der veröffentlichten, inländischen Comics ist kurz. Sie beginnt erst Ende der 80er Jahre. Davor gab es so gut wie kein Interesse an deutschen Zeichnern, und das Medium selbst war sowieso verpönt. „Die Verleger haben die Bildgeschichten mit der Taschenlampe unter der Bettdecke gelesen“, vermutet Inc.-Gründer Ulf Harten – so lange, bis den hiesigen Importeuren von Mickey Mouse und Lucky Luke, dem Carlsen-Verlag und dem Ehapa, ein Licht aufging: Es galt die Comics von ihrem Schmuddelimage zu befreien, sie als Alben auf den Weg ins bürgerliche Wohnzimmer zu schicken und einen deutschen Markt zu etablieren. In einer Art Großoffensive wurden daraufhin alle Zeichner in der näheren Umgebung unter Vertrag genommen.

1992 kam das böse Erwachen: Der Plan ging nicht auf. Die alten Comic-Fans wollten oder konnten bei dieser Edel-Pop-Variante nicht mithalten, und eine neue Käuferschicht hatte sich nur unzureichend herausgebildet. Die Produktion wurde trotz bestehender Verträge schlagartig eingestellt. Abgesehen von wenigen Ausnahmen, beschränkten sich die deutschen Verlage erneut auf billigere Lizenzen von den amerikanischen und französischen Kollegen.

„Und in dieses Vakuum wachsen jetzt die Heftchen – wie Pilze“, schwärmt Harten und freut sich, daß der heimische Wildwuchs auch im Ausland geschätzt wird. Erst vor kurzem gewann die 18. Ausgabe des Bremer Comic-Blatts Panel, in der viele Zeichner veröffentlicht haben, die auch an der Ausstellung Die vierte Dimension beteiligt gewesen sind, den Fanzinepreis im Comic-Salon von Angoulême – das entspricht so ungefähr der goldenen Palme bei dem Filmfestspielen in Cannes.

Westwerk, 5. bis 7. März, jeweils 15 bis 20 Uhr; Heftchen-Party mit „Lexiq & Boredom Wave“, Samstag, 6. März, ab 22 Uhr