Schlechte Karten für Thomas Drach

■ Das argentinische Bundesgericht befürwortet die Auslieferung des mutmaßlichen Reemtsma-Entführers. Seine Anwälte kündigen Berufung beim Obersten Gericht an

Buenos Aires/Hamburg (taz/ rtr) – Durch das vergitterte Fenster des Polizeiwagens sah man nur einen Mann mit einer Kapuze über dem Kopf. Darunter: der mutmaßliche Entführer des Hamburger Philologen Jan Philipp Reemtsma, Thomas Drach. Am Dienstag abend Ortszeit entschied das Bundesgericht in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires, daß der 38jährige nach Deutschland ausgeliefert werden darf.

Mit hinter dem Rücken gefesselten Händen wurde Drach von mit Maschinenpistolen bewaffneten Polizisten in den Verhandlungsraum in einem Seitenflügel des Gerichtsgebäudes geleitet. Er schien von den Anwesenden keine Notiz zu nehmen. Einmal drehte er sich kurz um, um seiner uruguayischen Freundin Cristina Irisarri zuzulächeln, dann nahm er auf der Anklagebank Platz.

Die Urteilsverkündung selbst verfolgte er von einem Nebenzimmer aus, außerhalb der Reichweite der Kameraobjektive der Pressevertreter, die sich im Gerichtssaal drängelten. Die Anwälte nahmen die Entscheidung von Richter José Luis Ballestero gelassen, als hätten sie damit gerechnet.

Dabei waren sie am Nachmittag noch bemüht, Zweckoptimismus zu verbreiten. „Unsere Chancen stehen gut“, prahlte Osvaldo Peña Alvarez, einer der Anwälte. Doch um so länger das Verfahren gegen Drach lief, um so mehr zeigte sich, daß es für seine noch recht jungen Verteidiger eine Nummer zu groß war. Peña Alvarez und sein Kollege Victor Stinfale scheinen das geahnt zu haben und nahmen in letzter Minute noch Eduardo Garcia Barazza an Bord.

Die drei Anwälte bauten darauf, Formfehler im Auslieferungsverfahren aufzuspüren. So beschwerten sie sich unter anderem über die Art der Festnahme, bei der bewaffnete Polizisten Ende März vorigen Jahres das Hotelzimmer von Drach stürmten. Doch die Strategie ging nicht auf: Gelangweilt lehnte Richter Ballestero einen Antrag der Verteidiger nach dem anderen ab. Auch daß der Verdächtige seine Unschuld beteuerte, ließ Ballestero kalt.

Die elf Monate in einem argentinischen Gefängnis waren Drach anzusehen. Sein Gesicht war weiß wie ein Blatt Papier. „Wo haben Sie zuletzt gewohnt?“ fragte der Richter. „Bei meiner Mutter“, lautete die Antwort. „Beruf?“ – „Habe keinen.“ – „Können Sie schreiben und lesen?“ – „Ja.“ Die Staatsanwaltschaft Hamburg und Reemtsma-Anwalt Johann Schwenn begrüßten unterdessen die Entscheidung der argentinischen Justiz. Die Überstellung Drachs könne aber noch Monate dauern, so Oberstaatsanwalt Rüdiger Bagger gestern. Im Falle eines Prozesses in Hamburg drohe Drach eine Strafe zwischen fünf und fünfzehn Jahren wegen räuberischen Menschenraubes.

Drachs Anwälte wollen vor dem Obersten Gericht in Berufung gehen. Auch dort wird das zweitklassige Anwaltstrio schlechte Karten haben. Zu den Aussichten sagte Drachs deutscher Anwalt Günter Stockhausen gestern: „Ich fürchte, es geht schief.“ Doch zunächst werden die Anwälte bei Drach kräftig abkassieren. Und am Ende ist alles Ansichtssache. Peña Alvarez: „Wir stehen nicht im Widerspruch zu dieser Entscheidung, wir haben nur eine andere Meinung.“ mal