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Verstrickt im Gewirr akademischer Eitelkeiten

■ Historiker werfen Heinrich-Böll-Stiftung „Überanpassung“ an die SPD-Linie vor

So kann's gehen: Da wollte die Heinrich-Böll-Stiftung heute mit einem hochkarätig besetzten Kolloquium zum Thema „Historiker und Nationalsozialismus“ das derzeit umstrittenste Thema der deutschen Geschichtswissenschaft ans Licht einer breiteren Öffentlichkeit zerren – doch am Ende hat sie sich heillos im Gestrüpp akademischer Eitelkeiten und wissenschaftspolitischer Konflikte verheddert. Alle sind sauer, und bis auf einen haben alle namhaften Referenten abgesagt. Einer von ihnen, der Berliner Historiker Peter Schöttler, spricht von einer „Karikatur grüner Überanpassung“, von einem Kotau vor Ordinarien und „eingefleischten SPD-Historikern“. Doch auch diese sind nicht zufrieden, sondern kritisieren hinter vorgehaltener Hand die „Unerfahrenheit der Veranstalter“.

Die aber hätten wissen können, auf welch vermintes Terrain sie sich begeben – schließlich hatten die deutschen Historiker das Thema schon auf ihrer Frankfurter Tagung im vergangenen Herbst erregt debattiert. Daß führende bundesdeutsche Geschichtsforscher mit bevölkerungspolitischen Gutachten der nationalsozialistischen Rassenpolitik zugearbeitet hatten, ist zwar schon seit einigen Jahren bekannt. 1992 hatten Angelika Ebbinghaus und Karl Heinz Roth ein einschlägiges Geheimgutachten Theodor Schieders veröffentlicht. Doch zählte der verstorbene Schieder nicht wenige der heute einflußreichsten Historiker zu seinen Schülern. Wer im Fach Karriere machen wollte, umging das Thema weiträumig. Folglich haben es Schöttler und sein Historikerkollege Götz Aly, die eine offene Debatte immer wieder anmahnten, nicht zu einem deutschen Lehrstuhl gebracht: Schöttler arbeitet beim französischen Centre Marc Bloch, Aly ist Redakteur der Berliner Zeitung.

Doch offenbar, so glauben die beiden Rebellen, wollte sich die Heinrich-Böll-Stiftung beim abendlichen Showdown im Senatssaal der Humboldt-Universität mit den Namen ordentlich bestallter Professoren schmücken. Schöttler und Aly hingegen sollten an den Diskussionsrunden am Nachmittag teilnehmen, statt abends mit dem Schieder-Schüler Hans-Ulrich Wehler die Klingen zu kreuzen. Aly, den die Veranstalter zunächst ohne sein Wissen aufs Programm gesetzt hatten, sagte ab – er habe „keine Lust“, sich „ins Vorprogramm abschieben zu lassen“. Ähnlich sah es Schöttler: Die Debatte biete Wehler nur „eine weitere Tribüne, um unwidersprochen seine Rundumschläge gegen die angeblichen ,Moralisten‘ auszuteilen“.

Auch Wehlers Gegenpart, der renommierte NS-Forscher Hans Mommsen, hat inzwischen abgesagt. Statt dessen soll Peter Steinbach debattieren, der Leiter der Berliner Gedenkstätte Deutscher Widerstand – der sich jedoch, wie die Kollegen pikiert festellen, an der fraglichen Debatte bislang noch gar nicht beteiligt hat.

Die Vorbereitungsgruppe bei der Heinrich-Böll-Stiftung will vor Tagungsbeginn noch einmal beraten und erst dann gemeinsam mit dem Mitveranstalter, der Viadrina-Universität in Frankfurt an der Oder, „auf die Absagen reagieren“. Den Vorwurf der SPD-Nähe und Überanpassung wies Referent Michael Stognienko schon gestern als „zu stark“ zurück. Schließlich gehe es nicht um eine inhaltliche Positionierung der Stiftung selbst. Ziel der Tagung sei: „Es muß diskutiert werden.“ Ralph Bollmann

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