„Freu Dich, daß Du ein Deutscher bist“

■ „Spurensuche – Jüdisches Schulleben in Hamburg“ in der Universitätsbibliothek

„Liebes, süßes Fräulein Traumann“ beginnt Lotte Rosenberg 1934 einen Brief an ihre Lehrerin, die im Jahr zuvor nach Palästina ausgewandert war, und fragt weiter, wann die geliebte Lehrerin denn wieder käme. Dieser Brief und sechzig weitere Erinnerungsstücke ehemaliger jüdischer Schüler aus Hamburg bilden den Grundstock der Ausstellung „Spurensuche – Jüdisches Schulleben in Hamburg“, die vom Schulmuseum zusammengestellt, zunächst im Rathaus und jetzt in der Staatsbibliothek zu sehen ist. In einer eingängigen Präsentation beleuchten die Exponate, persönliche Gegenstände, aber auch Zeugnissse und andere Dokumente, das Schicksal mehrerer Generationen.

Den Schuhlöffel zum Beispiel hatte Gert Koppel von Schuster Libinski auf dem Schulterblatt geschenkt bekommen und ihn, nachdem der Schusterladen in der Reichsprogromnacht zerstört worden war, immer bei sich getragen. Auch als er in Belgien insgesamt zwölfmal sein Versteck wechseln mußte, um zu überleben.

Der Globus in der Ausstellung steht als Zeichen für die Verweltlichung der jüdischen Schulen, von denen als erste die Israelitische Mädchenschule 1798 in Hamburg gegründet worden war. Als die Hansestadt 1870 die allgemeine Schulpflicht einführte, übernahmen auch die jüdischen Schulen die allgemeinen Lehrpläne. Daß Juden sich in erster Linie als Deutsche fühlten, belegen mehrere leidenschaftliche Aufsätze, die die Kinder über Generäle der Kaiserzeit oder den Besuch beim Bismarck-Denkmal schrieben. Genauso selbstverständlich war es, den Geburtstag des Kaisers mit einem Festakt in der Aula zu begehen. Dokumente einer Zeit, in der Vaterlandseuphorie noch keine Frage der Abstammung und der religiösen Zügehörigkeit war, und Abituraufgabe, wie die aus dem Jahr 1915 mit dem Thema „Freu Dich, Jüngling, daß Du ein Deutscher bist“ zum üblichen Matura-Test zählten.

Mit der Machtübernahme der Nazis begann der Progrom. Seit 1933 wurden die jüdischen Schüler auf eine mögliche Emigration ins Gelobte Land vorbereitet. Neben verstärktem Hebräisch-Unterricht lernten sie ein Handwerk, das ihnen den Start in eine neues Leben erleichtern sollte.

Die 150jährige Geschichte der jüdischen Schulen in Hamburg endete brachial am 29. April 1942. An dem Tag, als die verbliebenen 76 Schüler und Schülerinnen zusammen mit ihren Lehrern in die Vernichtungslager deportiert wurden.

Gyde Cold

bis 17. April, Montag bis Freitag von 9 bis 21 Uhr, Samstag 10 bis 13 Uhr, Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky, Von-Melle-Park