Textproben des Körpers

Unter dem Motto Körperglimmen verknüpft ein Festival der Tanzinitiative Theorie und Praxis zeitgenössischen Tanzes  ■ Von Gabriele Wittmann

Für die meisten Zuschauer ist der Bühnentanz ein sinnlicher Genuß, der sich nicht erklären läßt. Wer dennoch einmal Fragen stellt, gerät mit einer guten Portion Pech an einen durchschnittlichen Wissenschaftler. Dessen Vortragskultur über Tanz beschränkt sich dann darauf, daß er auf den Symposien dieser Republik universitäres Vokabular aus der Philosophie vorführt. Wen wunderts, wenn nur wenige Lust verspüren, Hintergründe zu verstehen. Dagegen treten nun die fünfzehn professionellen Tänzer aus der „Tanzinitiative“ in der Bernstorffstraße in Aktion. Ab heute veranstalten sie ihr zweites Tanzfestival, diesmal unter dem Titel „Körperglimmen – eine Versuchsreihe zum zeitgenössischen Tanz“. Thema ist diesmal die Bewegungsforschung. Was sind heute die Ansätze im Tanz? Was liegt dem zugrunde, was man auf der Bühne sieht? Wie trainieren die Tänzer, welches Körperbewußtsein wählen und vertiefen sie? Um diese Zusammenhänge zu verstehen, werden praktische Anteile wie Work-shops ebenso geboten wie abendliche Vorträge und Performances.

„Unsere Vortragenden sind nicht wie die gängigen Symposium-Redner, die ihren theoretischen Vortrag abliefern“, erklärt Veranstalterin Irmela Kästner, „sondern es sind sinnliche Menschen, die trotzdem für ein gehobenes Publikum sprechen.“ Etwa der belgische Choreograph Alexander Baervoets, der sich eng an den bildenden Künsten orientiert. Der studierte Historiker und Kritiker ist ausgebildet in Ballett und zeitgenössischem Tanz. Er entwickelte sich vom Bewunderer zum Kritiker Merce Cunninghams, und als logische Folge daraus zum Verfechter der Improvisation, dem vergänglichen Element des Tanzes. „Maler wie William Turner, Claude Monet oder Cézanne haben alle die Flüchtigkeit der Farbe, ihre Abhängigkeit vom Licht studiert“, erklärt Baervoets. „Genauso flüchtig ist der Tanz.“

Anleihen bei den bildenden Künsten nimmt auch Christine De Smedt, die manchem Zuschauer von ihren Auftritten mit Alain Platel und Meg Stuart auf Kampnagel bekannt sein könnte. Sie zeigt auf dem „Körperglimmen“-Festival einen Ausschnitt aus ihrer aktuellen Performance. Außerdem referieren auf dem Festival: Der Amerikaner Scott Clark über den Einfluß der Feldenkrais-Technik auf den Bühnentanz und die Engländerin Gill Clarke über die release-Technik.

Irmela Kästner erwartet verständliche, aber spannungsreiche Beiträge. „Die Diskussion wird sich auf hohen Niveau bewegen“, kombiniert sie, „denn es kommen viele professionelle Tänzer angereist.“ Tanzinteressierte können die Gelegenheit also nutzen, sich nicht nur zu informieren, sondern auch bei einem Gläschen Wein am Netzwerk Tanz zu knüpfen.

Lecture Scott Clark: Do, 11. Lecture Alexander Baervoets, Gill Clarke: Fr, 12. März, jeweils 20. 30 Uhr, Triade, Bernstorffstrasse 117

Performances Baervoets und De Smedt: Sa, 13.März, Tanzwerft, Stresemannstraße 374 b, 20.30 Uhr