Kreuzberger Liberale auf der Flucht

■ Parteiinterne Macht- und Richtungskämpfe prägen derzeit die Berliner Union. Nach einem Putsch in Wilmersdorf steht nun eine Abwanderungswelle aus der Kreuzberger CDU auf der Tagesordnung

Die eigene Basis macht der CDU mal wieder einen Strich durch die Rechnung. Aufbruch, Siegesgewißheit und Einigkeit standen eigentlich auf der Tagesordnung für die Landesvorstandsklausur am kommenden Sonntag. Den Wahlkampf wollte man entwerfen. Statt dessen aber müssen sich die Spitzen der Union einmal mehr mit parteiinternen Macht- und Richtungskämpfen auf Kreisebene beschäftigen.

Letzte Woche war es Wilmersdorf. Da servierten die Alteingesessenen konservativen Bezirkshäuptlinge die liberalen Nachwuchshoffnungen der Berliner CDU, Monika Grütters und Peter Kurth, mit Verschwörungsmethoden ab. Plätze im Abgeordnetenhaus – nicht für Jungliberale. Die Wahl wird angefochten, der Landesvorstand wird sich am Sonntag mit dem Punkt befassen.

Jetzt ist es Kreuzberg. Der eher als liberal einzuordnende Flügel des Kreisverbandes streicht dort die Segel und wandert ab: die Ausländerbeauftragte Barbara John nach Zehlendorf, die anderen – etwa 60 – nach Schönbeberg.

Seit Jahren bekämpfen sich „Hardliner und Weichspüler“, wie es gestern ein Christdemokrat zur taz sagte, im sensiblen Kreisverband Kreuzberg. Dominiert wird der Kreis jedoch schon längst eindeutig von den „Hardlinern“ um Kreischef Heinz Schicks und Kurt Wansner. Dabei geht es aber nicht nur um Richtungsstreitigkeiten. Vielmehr sind es Machtintrigen, die den Kreisverband entzweien. Die Unterlegenen haben daraus nun Konsequenzen gezogen. Der Übertritt nach Schöneberg scheint der einzige Ausweg, in der Union weiterhin Politik zu machen. „Für alle Beteiligten ist das die beste Lösung“ betont einer der Wechsler, Ralf Olschewski, „damit sind die Auseinandersetzungen im Kreis beendet.“ Die Austritte sind deshalb nicht neu, sondern lange angekündigt. „Die Übertrittsanträge liegen schon seit vergangenen Herbst vor“, berichtet Schönebergs CDU-Kreischef Gerhard Lawrentz. 20 Christdemokraten habe man schon längst problemlos aufgenommen, bei den anderen jedoch habe der Kreisverband Kreuzberg Widerspruch erhoben.

Jetzt muß sich der Landesvorstand in den Konflikt einschalten. So ist es in der Parteisatzung festgehalten. Will ein Unionsmitglied seinen Kreis aus anderen als aus Gründen des veränderten Wohn- oder Arbeitsortes wechseln, muß er ein Formular einreichen, auf dem sowohl der alte wie der potentiell neue Kreisverband zustimmen. Fehlt eine Zustimmung, geht die Sache automatisch an den Landesvorstand. Parteisprecher Matthias Wambach versprach gestern, den Widerspruch der Kreuzberger ernsthaft zu prüfen, „aber grundsätzlich entscheiden wir nicht gegen den Willen von Mitgliedern zur Frage, wo sie sich politisch engagieren wollen“. Einen politischen Hintergrund der Wechselwelle wollte Wambach gestern nicht bestätigen. Barbara Junge