Lebenslänglich für den Rohrbombenleger

Das Geschworenengericht in Graz spricht den Rassisten Franz Fuchs einstimmig des Mordes für schuldig. DieExistenz der Bajuwarischen Befreiungsarmee ist auch nach dem Urteil weiter ungeklärt  ■   Aus Wien Ralf Leonhard

So spektakulär der Briefbombenprozeß vor fünf Wochen begonnen hatte, so wenig überraschend war das Urteil, das die Geschworenen am frühen Mittwoch morgen im Schwurgericht von Graz verkündeten. Franz Fuchs ist schuldig in allen Punkten der Anklage und wird lebenslänglich in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Der 49jährige Vermessungsingenieur aus Gralla ist der alleinige Urheber von sechs Briefbombenserien. Er beging durch das Herstellen und Verlegen einer Rohrbombe in Oberwart vierfachen Mord und ist auch Urheber zweier weiterer Bomben, die mehrere Menschen schwer verletzten. Durch seinen Terror gegen Personen, die sich für Ausländer einsetzen, wollte er eine Änderung der Fremden- und Asylpolitik der Regierung erzwingen und hat sich damit der Nötigung schuldig gemacht.

Mit einem Hoch auf die Bajuwarische Befreiungsarmee (BBA) und rechtsradikalen Parolen, mit denen Franz Fuchs zu Prozeßbeginn erreicht hatte, daß das Beweisverfahren ohne ihn stattfand, provozierte er auch bei seiner Vorführung nach den Plädoyers seine Entfernung aus dem Gerichtssaal.

Überraschend ist nur, mit welcher Einhelligkeit die Geschworenen Staatsanwalt Winklhofer folgten und Fuchs in allen Anklagepunkten einstimmig schuldig sprachen. Für sie gilt als erwiesen, daß Fuchs die Bajuwarische Befreiungsarmee (BBA) ist.

Ob es die mysteriöse deutschtümlerische Terrorgruppe, in deren Auftrag Fuchs gehandelt haben will, gibt, werden wir vielleicht nie erfahren. Für die Justiz ist der Briefbomben-Fall erledigt, sobald das Urteil rechtskräftig ist. Die BBA bleibt ein Hirngespinst des Franz Fuchs, solange sie keine neuen Anschläge begeht. Er konnte das Gericht nicht von der Existenz der angeblichen Auftraggeber überzeugen.

Fuchs hat in den Verhören nie bestritten, mehrere Briefbomben aufgegeben und die Rohrbombe im burgenländischen Oberwart, die im Februar 1995 vier Roma zerriß, deponiert zu haben. Sachverständige konnten außerdem nachweisen, daß der Zementsockel der Bombe mit Wasser aus der Gemeinde Gralla gegossen wurde. Bei den Vernehmungen verriet Fuchs Details über die Sprengfallen und die Baupläne der Bomben, was den Verdacht nahelegt, er hätte die Artefakte selbst gebastelt.

Die Geschworenen ließen sich von den Indizien überzeugen. Denn der letzte Beweis, der den Angeklagten als Einzeltäter überführt hätte, ist nicht beigebracht worden. In Fuchsens Zimmer, das bis auf den letzten Millimeter durchkämmt wurde, konnten keine Spuren eines Sprengstofflabors nachgewiesen werden. Silberfulminat, auch Knallsilber genannt, das in allen Briefbomben verwendet wurde, kann nur von Spezialisten hergestellt werden. Man weiß, daß Fuchs seine Wohnung in den letzten Jahren kaum verlassen hat. Wenn er regelmäßig zu einem Labor Zugang gehabt hätte, wäre das den Ermittlern kaum verborgen geblieben.

Deswegen gibt es nur zwei Erklärungen: Verteidiger Ruhri vertrat die Version seines Mandanten, der behauptet, er hätte die brisanten Substanzen vom „Chemiker“ der BBA erhalten. Staatsanwalt Winklhofer wiederum sah im absoluten Fehlen jeder Spur den Beweis, daß Fuchs mit perfektionistischer Akribie vorgegangen ist und jedes Indiz beseitigt hat. Damit erklärte der Ankläger auch, daß auf keiner der Bomben Spuren der DNA des mutmaßlichen Täters gefunden wurden.

Pflichtverteidiger Gerald Ruhri versuchte in seinem Schlußplädoyer nicht nur die Einzeltäterthese zu erschüttern; er bestritt auch die Tötungsabsicht bei der Verlegung der Oberwarter Rohrbombe. Die Sprengfalle sei mit einem Zeitglied ausgestattet gewesen, das in der Nacht die Detonation ausgelöst hätte. Daß vier Männer das an der Bombe montierte Schild „Roma, zurück nach Indien“ entfernen würden, sei nicht vorauszusehen gewesen.

Einer der Schwachpunkte der Anklage war die Behauptung, der Physiker habe auch die Bekennerbriefe, die teils verschlüsselt und mit historischen Anspielungen auf mittelalterliche Kriegsherren durchsetzt sind, allein verfaßt. Auf der Computerfestplatte konnten weder der Briefkopf der BBA noch Briefkonzepte entdeckt werden. Auch was das historische Wissen des Angeklagten betrifft, scheiden sich die Geister.

Wenn es die BBA gibt, dann ließ sie ihren Kameraden im Regen stehen. Bis auf zwei neue Bekennerschreiben von Trittbrettfahrern, meldete sich aus dem Umfeld des oder der Attentäter niemand zu Wort. Die BBA habe ihr Ziel, die Fremdenpolitik der Regierung zu beeinflussen, erreicht. So erklärte Fuchs, daß seit seiner Verhaftung weitere Anschläge ausgeblieben sind. Er hat noch etwas erreicht: daß trotz des Urteils noch genug ungeklärte Fragen bleiben, die den Verschwörungstheorien reichlich Nahrung geben.

Ob es die mysteriöse Terrorgruppe gibt, in deren Auftrag Fuchs gehandelt haben will, werden wir wohl nie erfahren