Halbherzige Schwulenpolitik rächt sich

■ Brandenburgs Sozialministerin Hildebrandt schließt das Potsdamer Schwulenbüro. Wegen politischer Gegensätze, sagt der Büroleiter – wegen schlechter Arbeit, sagt das Ministerium

Berlin (taz) – Das Schreiben aus dem Sozialministerium war eindeutig. Fünf Tage wurden dem Potsdamer Schwulenbeauftragten eingeräumt, um seine Sachen zu ordnen: „Bitte reichen Sie bis zum 28. 02. 1999 eine Inventarliste aller Einrichtungsgegenstände des Büros für gleichgeschlechtliche Lebensfragen ein.“

Möbel und Computer hatte das Ministerium Dorian Haseloff 1992 zur Verfügung gestellt. Damals erhielt der ehemalige Lehrer und sein Verein „BLuS“ (Brandenburgischer Landesverband Lesben und Schwule) den Auftrag, Homosexuelle in der Landeshauptstadt zu beraten. Haseloff ist seitdem Berater, Organisator und Leiter des Ein-Mann-Büros. Daß die Zusammenarbeit mit dem Ministerium jetzt so rüde endet, zeigt, wie sehr sich beide Seiten zerstritten haben.

„Wir sind Frau Hildebrandt zu unbequem“, sagt Haseloff, „deshalb sollen wir abgewickelt werden.“ In seiner Funktion als Schwulenbeauftragter hatte er die Ministerin oft scharf kritisiert. Als das Kabinett im Sommer 1998 ein vom Justizministerium eingebrachtes Antidiskrimierungsgesetz fallenließ, veröffentlichte seine Vereinsschrift einen Artikel unter der Überschrift „Frau Hildebrandt und ihre Homo-Stiefkinder“. Haseloff steht weiterhin dazu. „Wir sind keine Jasager, sondern vertreten die Interessen der Lesben und Schwulen.“

Freunde hat sich Haseloff mit seinen harten Worten im Ministerium jedenfalls nicht gemacht. Ungeschickt von ihm – das Büro erhält Geld nur als Projektförderung. Jedes Jahr müssen die Mittel neu beantragt und bewilligt werden.

Daß der Förderantrag für 1999 abgelehnt wurde, hat aber nach Angaben des Ministeriums mit der „teils herabwürdigenden Kritik“ Haseloffs nichts zu tun. „Wir brauchen eine effektivere Arbeit mit Lesben und Schwulen“, sagt Rupert Schröter, Sprecher von Regine Hildebrandt. Im Ablehnungsbescheid wird zum Beispiel bemängelt, 1998 hätten „keine Aktivitäten stattgefunden, die im Interesse von Lesben sind“.

Die 120.000 Mark, mit denen das Ministerium das Schwulenbüro bislang jährlich unterstützt hat, sollen laut Schröter aber „auf keinen Fall verfallen“. In Zukunft soll der Verein „AndersArtig“ gefördert werden. Offiziell will der Verein das aber gar nicht.

„Für uns wäre es extrem viel Arbeit“, sagt Gabriele Kerntopf. „Und wir arbeiten auch bisher ganz gut.“ Kerntopf koordiniert die Projekte von „AndersArtig“ in Cottbus. Dort fördert das Land eine zweite Lesben- und Schwulenberatung.

Haseloff beklagt indes den „schweren Rückschlag für die Belange der 150.000 Schwulen und Lesben in Brandenburg“. Noch immer würden Homosexuelle diskriminiert und angegriffen. Mehrere Vereine, die Haseloff zum Teil mitgegründet hat, haben inzwischen beim Ministerium gegen die Schließung protestiert.

In Potsdam streiten Schwulenvereine, Politiker und Beamte – in aller Öffentlichkeit. Auch die SPD-Landtagsfraktion diskutiert den Fall. Die Krise ist jedoch hausgemacht: Nach der Wende konnte sich das brandenburgische Sozialministerium nicht dazu durchringen, ein eigenes Referat für Schwule und Lesben, ausgestattet mit festangestellten Mitarbeitern, zu schaffen. In Berlin funktioniert dieses Modell seit 1989.

Sozialministerin Regine Hildebrandt erschien es aber wohl billiger, statt dessen nur einzelne Projekte zu fördern. Das hat jetzt in einer unangenehmen Schlammschlacht geendet. Till Ottlitz